Der Benedict Clan - Zwischen Hoffen und Bangen
hatte, dann startete sie den Motor. Gleich darauf fuhr sie mit normaler Geschwindigkeit davon.
Niemand versuchte sie aufzuhalten. Und soweit sie es sehen konnte, folgte ihr auch niemand. Man hatte sie offenbar, wie erhofft, für einen Gast des Cafés gehalten, der Besseres zu tun hatte, als bei einem so alltäglichen Spektakel wie einer Polizeiaktion in diesem Teil der Stadt stehen zu bleiben und zu gaffen. Nicht lange danach setzte schlagartig der Schock ein. Sie begann am ganzen Körper so heftig zu zittern, dass sie das Steuer kaum mehr halten konnte. Aus Angst, womöglich noch einen Unfall zu verursachen, fuhr sie an der nächsten Tankstelle von der Straße ab und blieb mit laufendem Motor stehen. Sie legte den Kopf aufs Lenkrad und schloss die Augen.
Sie war in Sicherheit. Wieder einmal war sie davongekommen.
Doch sie hätte nicht weglaufen, sondern zur Polizei gehen und alles erzählen sollen. Da sie es nicht getan hatte, würden vielleicht der Arzt und seine mordlustige Helfershelferin ungeschoren davonkommen. Sie wären frei, um noch einmal von vorn anzufangen und aufs Neue mit verzweifelten Kranken zu experimentieren, frei, um die zu verfolgen, die sie verraten hatten.
Aber würde es etwas ändern, wenn sie jetzt zurückführe? Offensichtlich schien die Polizei die Situation doch sowieso schon unter Kontrolle zu haben.
Sie wusste es nicht. Zudem konnte sie es sich nicht leisten, den Anteil, den sie an dem schmutzigen Geschäft hatte, preiszugeben, wenn das vielleicht bedeutete, dass man sie einsperrte. Sie durfte Lainey nicht irgendwelchen Leuten überlassen, die nichts von ihr und ihrem Zustand wussten, die kein Gefühl dafür hatten, wann sie ernsthafte Probleme hatte. Nein, das konnte sie auf keinen Fall tun. Dennoch hatte sie schreckliche Gewissensbisse, weil sie einfach davongelaufen war.
Warum hatte die Razzia nicht ein paar Minuten früher sein können, noch bevor sie in der Klinik war? Weshalb hatte sie sich nicht einfach still und leise aus der Sache zurückziehen können, ohne sich Vorwürfe machen zu müssen? War das denn wirklich zu viel verlangt?
Ja, das war es, natürlich. Der verdammte Sheriff von Turn-Coupe, wie Dr. Gower ihn bezeichnet hatte, war Roan Benedict. Sheriff Benedict war Clays Cousin. Und wenn es irgendeinen Beweis gegen Gower gab, dann hatte Clay ihn geliefert, wer sonst? Er war der Zeuge, dessen Aussagen zweifellos eine wichtige Rolle für den Entschluss der Polizei in Baton Rouge gespielt hatten, die Hausdurchsuchung durchzuführen. Er hatte gewusst, was da vor sich ging, weil sie ihn in der Hütte festgehalten hatte. Wenn sie jetzt in all das verwickelt werden würde, dann nur deswegen. Aller Wahrscheinlichkeit nach würde sie ihre Geschichte irgendwann erzählen müssen.
Clay hatte mit Roan darauf hingearbeitet, dass die Transplantationsklinik geschlossen wurde, vielleicht schon seit der ersten Nacht, in der er die Hütte verlassen hatte. Sogar während er Liebe mit ihr gemacht hatte, war er damit beschäftigt gewesen, dafür zu sorgen, dass sie keine Zukunft mehr hatte.
Es sollte eigentlich keine Rolle spielen, was er getan hatte. Janna war schließlich selbst zu der Erkenntnis gelangt, dass sie das Leben ihrer Tochter nicht auf Kosten eines anderen jungen Lebens retten konnte. Aber das wusste Clay nicht. Er ging davon aus, dass sie immer noch vorhatte, die illegale Transplantation durchführen zu lassen. Und weil das so war, stand alles, was er tat, in Widerspruch zu dem, was Janna für die Gesundheit und das Wohlergehen ihrer Tochter vorschlug.
Ihm war es egal, was sie wollte. Und auch Lainey war ihm egal. Ihn interessierten nur seine verdammten Benedict-Grundsätze von Recht und Unrecht, Gerechtigkeit und Ehre. Er hatte geglaubt, in dieser Situation das Richtige zu tun. Davon war er so felsenfest überzeugt gewesen, dass er ihr nur die Wahl gelassen hatte, die Dinge auf seine Art anzugehen.
Gut und schön. Er hatte Recht gehabt und sie Unrecht. Die illegale Transplantation war eine aus Verzweiflung geborene Idee gewesen, die sie besser nie weiterverfolgt hätte. Sie konnte ihm keinen Vorwurf daraus machen, dass er dagegen gewesen war und alles getan hatte, um Dr. Gower aufzuhalten. Aber sie warf ihm vor, dass er nicht mit ihr darüber geredet hatte.
Er hatte die Entscheidung in seine eigenen Hände genommen, dieser Mann, der nie ein Kind gehabt hatte, der nie ein Vater gewesen war. Er hatte Laineys Leben gering geschätzt, es für eine abstrakte Idee von
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