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Der Bernstein-Mensch

Der Bernstein-Mensch

Titel: Der Bernstein-Mensch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gregory Benford & Gordon Eklund
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alles sein konnte. Die Ereignisse waren wie eine Speerspitze, und die Zeit und das menschliche Leben waren auf etwas gerichtet. Er weigerte sich, den Menschen als animiertes Senfkorn zu sehen, das geboren wurde, um zu wachsen und zu sterben und dabei Abbilder seiner selbst in endloser Folge hervorzustoßen. Die idiotische Wiederholung der Biologie konnte kein Symbol für die Menschheit sein. Es mußte einen Vektor geben.
    Viele Stunden lang saß er in der schattigen, kalten Zelle, während der Winterregen auf das unsichtbare Land herunterprasselte. Zornige, dunkle Wolken kochten am Horizont auf, und ruhelose Vögel zwitscherten und kreischten. Ihm war, als treibe er ertrinkend in der süßen, schweren Luft Afrikas.
    Dann rührte sich etwas in ihm. Es war spät, fast schon Mitternacht. Die Antwort traf ihn wie ein Blitz der Erkenntnis. Es hätte die Erleuchtung sein können, aber es war nur:
    Ein Planet. Eine riesige Welt. Bänder von Licht und Farben.
    Jupiter, erkannte Bradley, und sogleich fügten sich die Myriaden von Fragmenten säuberlich zusammen, und die Lösung lag vollständig vor ihm.
    Bradley lächelte.
    Wenn das Alpha-Libra-Signal wichtig für die menschliche Existenz war, dann war Jupiter der Nexus für jedes ernsthafte Studium dieses Rätsels. Er würde vor dem Kongreßausschuß erscheinen. Zunächst würde er idealistisch reden. Der Mensch war nicht allein in der Galaxis. All die wunderbaren Dinge, die man von einer anderen Intelligenz würde lernen können. Dann, wenn er ihre Aufmerksamkeit gefesselt hätte, würde er flugs die Einrichtung eines Laboratoriums im Orbit des Jupiter empfehlen, mit einer ständigen Besatzung, die von dort aus die Geheimnisse jener mysteriösen Welt würde ergründen können.
    Sollten sie ablehnen, würde er hierher in das dumpfe Schweigen Afrikas zurückkehren.
    Sollten sie seinen Vorschlag aber annehmen, würde er selbst gehen. Das konnten sie ihm nicht verweigern. Er wußte von den mißverständlich als Anti-Senilitätsgesetze bezeichneten Verordnungen, die jede Diskriminierung aus Altersgründen verboten. Er würde ihre eigenen politischen Gesetze gegen sie verwenden. Es lebte niemand mehr, der für die Arbeit im Weltraum besser qualifiziert gewesen wäre als Bradley Reynolds. Er war zu alt – vielleicht –, aber diesen Einwand konnten sie nicht mehr gegen ihn geltend machen.
    Bradley stand auf. Das Ende war zu nahe, um noch hierzubleiben. Die Zeit war gekommen, den Kreis seines Lebens zu schließen. Konnte es einen besseren Tod geben, als zu tun, zu denken und zu sehen, was alt und was neu war? Die Erschöpfung würde ihn schließlich zu Boden drücken, aber nur der rauhe, kantige Schleifstein des Lebens konnte seinem Bewußtsein eine neue, scharfe Schneide geben. Ließen sich denn alle Geheimnisse dadurch lösen, daß man mit tauben Beinen auf diesem kalten Steinboden saß? Für manche vielleicht – für Bruder Ling oder für dieses großäugige Mädchen –, aber nicht für ihn.
    Als Bradley auf die offene Tür zuging, befolgten seine Beine automatisch die Befehle seines Hirns. Er verspürte weder Steifheit noch Schmerzen, als er ging.
    In der Tür hielt er noch einmal inne. Die Zeit hier war kein Verlust, dachte er. Ich habe gelernt. Erst lernen, dann handeln. Der Augenblick war gekommen, wieder aufzutauchen.
    Er fand Carr in der Hauptkammer, wo er voller Unbehagen saß und mißtrauische, beinahe ängstliche Blicke auf die schweigenden Mönche warf, die dort in einer Reihe hockten. Bradley sagte mit klarer Stimme: „Ich komme mit Ihnen, sobald Sie fertig sind.“
    Nur Bruder Ling sah auf, als er sprach.
     

 
Vier
2060
Jupiter

Es gibt eine Geschichte über zwei Freunde, ehemals Klas senkameraden auf der High School, die sich über ihre Beru fe unterhielten. Einer von ihnen war Statistiker geworden und arbeitete an Bevölkerungstrends. Er zeigte seinem alten Schulfreund einen Computerausdruck. Der Ausdruck begann, wie gewöhnlich, mit der Gaußschen Verteilung, und der Statistiker erklärte seinem früheren Schulkameraden die Bedeutung der Symbole für die tatsächliche Bevölkerung und dergleichen mehr. Sein Freund war ein wenig ungläubig und nicht ganz sicher, ob der Statistiker ihn nicht zum Narren halten wollte. „Wie kannst du das wissen?“ war seine Frage. „Und wie heißt dieses Symbol hier?“ – „Oh“, sagte der Statistiker, „das ist Pi .“ – „Und was bedeutet es?“ – „Es ist das Verhältnis des Umfangs eines Kreises zu seinem

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