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Der Bernstein-Mensch

Der Bernstein-Mensch

Titel: Der Bernstein-Mensch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gregory Benford & Gordon Eklund
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signifikanter Faktor.
    Träge ließ sie sich treiben. Das Orb – was für ein alberner Name! Es war keine Kugel, es war eine Blechbüchse, ein faul rotierender Zylinder. Ein paar hundert Meter über ihrem Kopf hing pfannkuchenförmig der Wasservorrat, der den Hagel der Hochenergie-Protonen aus dem Van-Allen-Gürtel blockierte. Orb kam von Orbit. Eine dumme Art, einen Namen auszusuchen …
    „Mara. Du schindest Zeit.“
    „Nein. Ich sagte doch, ich komme.“
    „Dann …“ – er war betont geduldig – „… wollen wir auch kommen.“
    „Ich habe nachgedacht.“ Sie kalkulierte die Entfernung nach unten bis zu dem rotierenden Oberteil des Orb. Ihre Fähre lag in Bay Sechs, im Augenblick also genau auf der gegenüberliegenden Seite des Orb. Sie zu erreichen war fast genauso, wie ein Pferd auf einem Karussell zu fangen, nur daß sie nicht nebenherlaufen und die Geschwindigkeit ausgleichen konnte. Es war zu schwierig, nur mit Hilfe der Positionsdüsen einen Kreisbogen zu beschreiben; sie mußte geradewegs hinuntergleiten und das Orb erreichen, wenn Bay Sechs vorüberkam. Wenn sie sie verfehlte, gab es immer noch Handgriffe, an denen sie sich entlangziehen konnte. Mit einigem Genuß maß sie Zeiten und Entfernungen; es war eine interessante Kalkulation – es machte Spaß. Besser als Squash bei null g.
    „Stellt mein Abendessen warm“, befahl sie Bradley. „Euer verirrtes kleines Mädchen kommt nach Hause.“
    Mit einem kurzen Stoß aus den Düsen schwebte sie auf die graue Metalloberseite des Orb zu. Bay Sechs kam heran, und als sie sicher war, daß die Position stimmte, drehte sie sich um und stieß mit den Füßen zuerst gegen das Deck. Die Landung war nicht schlecht; sie hatte die Bay nur um ein paar Meter verfehlt. Mit den Händen übereinandergreifend, zog sie sich an den Rand der Bay und warf einen Blick hinunter auf das Shuttle, das sicher verankert in seiner Nische lag. Sie schwang sich über den Rand und sah sich nach dem Anschluß des Luftschlauches um. Die Luft in ihrem Anzug war in Ordnung; sie besaß einen metallischen Ölgeschmack, der im Hals kratzte. Sie entdeckte den Schlauch auf der anderen Seite der Bay und sprang geschickt hinüber.
    Das Manövrieren in der Schwerelosigkeit machte Spaß. Es war eine Herausforderung, mit Augen, die normalerweise parallel zum Erdboden blickten, drei Dimensionen abzuschätzen. Man mußte sich ständig daran erinnern, daß Oben und Unten ebenso wichtig waren wie die Horizontale. Es war eine größere Welt hier, und in gewisser Weise eine realere.
    Sie packte den Schlauch und stellte die Verbindung zur Schiffsluft her. Aber noch war sie nicht bereit. Nein, bevor sie hineinging, wollte sie noch einmal einen Blick auf den gigantischen Planeten werfen. Sie verfluchte Bradley, der sie in ihrem Frieden gestört hatte. Sie war unruhig, und ihre Kehle brannte; in drei Tagen erwartete sie ihre Periode. Einem Impuls folgend, stieß sie sich sanft nach oben und schwebte plötzlich frei über der Bay. Der Rote Reck hing jetzt größer vor ihr, wie eine offene Wunde, bevor sich eine Kruste gebildet hatte. Bei dem Anblick fühlte sie sich sogleich besser. Sie war wieder frei. Sie zog die Knie an, soweit ihr Anzug das gestattete, und vollführte eine Rolle im Raum. Sie lachte laut. Und Bradley? Sie hörte, wie er jammerte. Was konnte sie tun, um ihn aufzumuntern? Die Möglichkeiten waren grenzenlos. Sie könnte ein Liedchen singen oder eine kleine Steptanzvorstellung bei null g geben. Vielleicht sollte sie ihm auch einfach eine lange Nase drehen und dann einen Überschlag machen. Oder sie könnte …
    Etwas zerrte an ihr und gab dann nach.
    Sie glitt nach links weg. Ein leichter Stoß hatte …
    Der Luftschlauch. Jetzt begriff sie: Er war gerissen.
    Das bedeutete – schlicht und einfach –, daß sie tot war.
    In ihren Ohren knackte es. Automatisch griff sie hinter sich und erwischte den wild hin und her wedelnden Schlauch. Sie packte ihn mit einer Hand und drückte ihn zusammen. Sie versuchte einzuatmen. Nichts. Ihre Lungen wollten sich nicht füllen.
    Sie berührte den Auslöser der Positionsdüsen, visierte Bay Sechs an und gab Feuer. Schnell, zu schnell, kam das Orb heraufgeschwommen. Sie begann, sich zur Landung zu drehen, und versuchte, mit einer Hand zu manövrieren, während sie mit der anderen den Schlauch umklammert hielt. Ich bin tot, erinnerte sie sich plötzlich. Beim Landen stieß sie heftig mit einem Fuß auf die Deckplatten. Ein zuckender Schmerz brannte sich

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