Der Bernstein-Mensch
Jupitermonde, inmitten seiner dünnen Kieferntäfelung – kaum vorstellbar zwar, aber doch in menschlichen Dimensionen. Und außerdem führte er den Haushalt für ein verrücktes Genie, erinnerte er sich, als seine Bürotür aufflog.
„Bradley, du …“ begann sie.
„Setz dich hin, Mara.“ Er wies auf einen Stuhl vor seinem Schreibtisch.
Sie schüttelte den Kopf und weigerte sich wie immer, Platz zu nehmen. Natürlich, Mara war verflucht hübsch. Der Aufwand an genetischen Manipulationen, der erforderlich gewesen war, sie hervorzubringen, hätte sich auch kaum mit einer häßlichen Schachtel zufrieden gegeben. Aber manchmal glaubte er auch, gerade dies sei vielleicht ihr entscheidender Fehler. Sie war allzu vollkommen. Eine Andeutung von Häßlichkeit, eine schlaffe Unterlippe oder ein fliehendes Kinn, hätte ihr vielleicht schon etwas von ihrer Schärfe genommen.
„Dieser Raum ist unglaublich“, sagte sie und fuhr mit einer Geste über seine vielen Kunstgegenstände hinweg. Es war ein Thema, auf das sie jedesmal gleich zu sprechen kam; fast schon war es zu einem Ritual zwischen ihnen geworden. Sie trat an den Schreibtisch heran, befingerte eine Krischna-Statue und streichelte über das Metall. „Buddha an einem schlechten Tag?“ fragte sie spöttisch lächelnd.
„Du weißt verflucht genau, was das ist.“ Im Zimmer verteilt gab es eine ganze Reihe von Hinweisen auf Buddha, und an der Wand über seinem Kopf hing ein silbernes Kruzifix.
„Ich frage nur, weil ich dachte, du seist so etwas. Eine Art Buddhist.“
„Ich bin ein Mensch. Jede mögliche Antwort interessiert mich.“
„Aber was ist mit der Frage?“
„Die interessiert mich auch.“
„Mich nicht.“ Sie schüttelte den Kopf, ließ die Statue wieder an ihren Platz im Niedergravitationsfeld fallen und wandte sich ab, um die Bücherregale hinter ihr zu betrachten, als wollte sie sich einen Titel aussuchen. Bei einigen der Bücher konnte sie sich ein Kichern nicht verkneifen. Er fragte sich, ob sie nun wohl dazu übergehen würde, ihn damit zu hänseln, daß er so viele fiktive Bücher las, wo es doch so viele Fakten gab – und sie würde ein paar Beispiele nennen –, von denen er nichts wußte.
Aber sie drehte sich wortlos um. „Jemand hat versucht, mich umzubringen“, sagte sie gleichmütig.
Er ließ einen Augenblick der Stille verstreichen. „Bist du sicher?“
„Ich mache keine Fehler. Bevor ich zurückkam, habe ich zweimal selbst versucht, den Luftschlauch durchzuschneiden. Er ist nicht gerade aus Papier. Ich habe den abgetrennten Teil geborgen. Er war ausgeleiert, als ob jemand versucht hätte, ihn mürbe zu machen.“
„Du kannst nicht damit herumfliegen und ihn unbegrenzt langziehen. Das weißt du.“
„Klar. Aber ich sage dir, ich habe ihn nicht dermaßen weit überdehnt. Jemand hat sich absichtlich an dem Schlauch zu schaffen gemacht. Du mußt herausfinden, wer.“
„Irgendein Verdacht?“
„Niemand im besonderen.“ Sie schüttelte den Kopf.
Er konnte nicht anders, er mußte lachen. Er schaukelte in seinem Sessel hin und her und schaute sie an, während sie immer wütender wurde. Endlich beruhigte er sich wieder und sagte: „Ich könnte dir fünfhundert Verdächtige aufzählen. Dich und mich können wir vielleicht ausschließen. Vielleicht noch Corey. Soll ich den Rest verhaften?“
Ihre Nasenlöcher blähten sich. „Sei nicht ein solches Arschloch!“
„Ich könnte mir vorstellen, daß die meisten von ihnen ein Motiv haben, Mara. Und ein ziemlich gutes.“
„Alle?“ Jetzt schien sie wirklich verwirrt.
Er nickte. „Ja.“
„Sie mögen mich nicht?“
„Sagen wir, sie finden dich überaus irritierend.“
„Nicht bloß ein oder zwei verirrte Christer? Ein paar
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