Der Bernstein-Mensch
ist die Situation auf der Erde?“ fragte Rawlins. „Ich hoffe, man hat sich nicht auf einen Kompromiß eingelassen.“
„Nein, die Lage ist unverändert. Die Manips werden Tokio zerstören, wenn sie die Bürgerrechte nicht zurückerhalten. Der Kongreß lehnt ab. Patt.“ Er konnte sich einen bissigen Nachsatz nicht verkneifen. „Ist es das, was Sie wollten?“
„Ich will sie tot sehen.“
„Weshalb?“
„Weil es sie nie geben darf. Weil Gott niemals wollte …“
Mit einem Anflug von Ärger, wie er ihn selten zeigte, schnitt Bradley ihm das Wort ab. „Deswegen sind Sie ja wohl nicht hergekommen“, sagte er dann ruhiger.
„Dann wissen Sie es also nicht.“ Rawlins schien erfreut.
„Was?“
„Diese verdammte Frau. Dieses Ding. Ich habe es gerade erfahren und bin gleich zu Ihnen gekommen. Wenn sich das im Orb herumspricht, ist die Hölle los.“
Bradley wünschte, er rauchte, nur um irgendwie den dumpfen, dummen Schädel dieses Mannes zu durchdringen. „Wenn sich was herumspricht, Tom?“
„Sie hat Ihnen eins ausgewischt, Bradley. Sie ist mit Tsubata in einem Shuttle hinaus.“
Nach all der Spannung war diese Mitteilung nicht allzu beeindruckend. „Ist das alles? So wie Sie um den Brei geredet haben, hatte ich schon befürchtet, sie hätte Ihre Mutter vergewaltigt.“
„Dann schon eher Tsubata“, sagte Rawlins höhnisch. „Also, was wollen Sie unternehmen?“
„Wann?“ Bradleys Magen knurrte hörbar. Er mußte daran denken, etwas zu essen. Nach dem dritten Tag waren die Pillen einfach nicht mehr genug.
„Na, jetzt natürlich.“
„Jetzt? Nichts. Wenn sie zurückkommt, werde ich etwas tun. Ihr den Hintern versohlen. Die Nase verdrehen. Wen kümmert das?“ Er wußte, daß man ihm seine Erschöpfung anmerkte. „Bei all dem hier …“ – er klopfte auf den Nachrichtenstapel – „… benehmen Sie sich furchtbar trivial, Tom.“
„Aber verstehen Sie denn nicht? Es ist doch alles dasselbe, Bradley. Sie ist eine von ihnen. Glauben Sie, sie würde auch nur eine Minute zögern, Tokio in die Luft zu sprengen und Millionen zu ermorden?“
„Ist sie deswegen mit dem Shuttle unterwegs?“
„Nach dem Abflug sagte sie der Flugüberwachung, sie wolle sich den Jupiter ansehen. Das würde ihr helfen, das Puzzle zu lösen. Was sagen Sie dazu?“
„Das ist unser Auftrag, Tom.“
„Ich will, daß sie sofort zurückgeholt wird. Ich will, daß sie nicht bloß unter Arrest, sondern unter Quarantäne gestellt wird. Ich habe mit den anderen gesprochen. Wir sind alle einer Meinung.“
Zorn war ein Gefühl, das Bradley nur noch selten empfand. Das Alter oder die Meditationen hatten sein System davon gereinigt. Er vermißte es. Handle, ohne zu denken. Tu es jetzt, sann er. Das mythische Ideal. Das Bogenschießen des Zen: Spalte das Ziel. Zorn war auf eine Weise reinigend, wie Trauer, Liebe oder Freude es niemals sein konnten.
„Jetzt hören Sie mal zu, Rawlins. Dies ist keine Militärgarnison. Ich bin nicht der Hauptmann der Wache. Ich bin ein Verwaltungsbeamter, frei gewählt und ausgesucht und niemandem unterstellt. Ich kann nur unmittelbar meines Amtes enthoben werden. Niemand sagt mir, was ich zu tun habe. Nicht Sie, nicht Mara und nicht die übrigen.“
„Aber sie ist nicht einmal ein Mensch!“
„Doch, das ist sie. Ich glaube sogar, daß dies ihr eigentliches Problem ist. Sie ist nur allzu menschlich: arrogant, verantwortungslos und selbstsüchtig. Sie tut, was Sie alle tun würden, wenn Sie nur einen Bruchteil ihres Selbstvertrauens besäßen. Ich mag Mara nicht – ich mag nicht, was sie ist. Aber nennen Sie es menschlich. Sie ist es.“
Rawlins stand auf, und seine Beine entwirrten sich. Er sprach vorsichtig und offenbar überrascht. „Ist das Ihr Ernst, Bradley?“
„Ja.“
„Und wenn sie
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