Der Bernsteinring: Roman
hatte, war nicht besonders gut verlaufen. Der Turmmeister, der Stimmmeister, der Turmschreiber und er hatten den Fall aufgerollt und die ersten Zeugen vernommen. Dabei war eine Menge Dreck aufgerührt worden. Zwar gab es bezüglich des Mordes keine irgendwie belastbaren Fakten, aber der Vorwurf der Zauberei, insbesondere der Giftmischerei, der schien belegbar. Da waren beispielsweise Nachbarinnen aufgetreten, die Heiltränke und Salben von Frau Rosa erhalten hatten, die seltsame Wirkungen zeitigten. Träume von wilden Ritten durch die Luft zum Beispiel. Oder Hitzewallungen und den Drang zu hemmungslosem Gelächter. Dann hatte eine magere Ziege, Gattin eines Professors, sich bemüßigt gefühlt, zu berichten, die Frau Rosa habe schon an ihrem Hochzeitsfest ihrem Bräutigam ein Lied vom Tod gesungen und sich anschließend einem ungezügelten Freudentanz hingegeben hatte. Schließlich waren zwei Kanonissen aus dem Stift von Sankt Maria im Kapitolaufgetreten, in dem Frau Rosa vor ihrer Ehe gelebt hatte. Sie hatten von der undurchsichtigen Vergangenheit dieser Frau gesprochen, die angeblich eine Witwe aus der Familie derer von Gudenau war, aber ein seltsames Benehmen an den Tag gelegt hatte. Sie beschuldigten die Angeklagte, die Stiftsdamen mit einem üblen Pulver vergiftet zu haben, so dass sie wie trunken lallen mussten. Der Syndikus hatte sich bei der Vorstellung ein Schmunzeln verkneifen müssen. Das klang ihm doch sehr nach einem gelungenen Streich, nicht nach Hexenwerk. Andererseits zeigte es aber, dass Frau Rosa ganz offensichtlich um die Wirkung bestimmter Substanzen wusste. Dann tauchte noch eine junge Frau auf, eine Magd aus der Nachbarschaft, die berichtete, Frau Rosa habe schon mal ihren Freundinnen Tränke gemischt, die gebrochene Herzen heilen sollten.
Frau Rosa wurde anschließend gütlich zu diesen Punkten befragt. Wie erwartet, leugnete sie alle. Weder habe sie Flugsalben verteilt noch Liebestränke, geschweige denn habe sie ihrem Mann den Tod gewünscht. Einzig die Tat an den Kanonissen gab sie zu. Lolchsamen habe sie den spitzzüngigen Weibern unter das Essen gemischt, um sich für die beständigen Sticheleien zu rächen, denen sie ausgesetzt war. Aber sie gab sich reuig und bezeichnete ihr Handeln als unüberlegten Streich, der zwar für die Stiftsdamen demütigende, aber ansonsten keine schädlichen Folgen gehabt habe.
Der Syndikus neigte dazu, ihr zu glauben, denn die Böswilligkeit der Zeuginnen war nicht zu überhören gewesen. Dennoch hatte er weitere Nachforschungen in Auftrag gegeben, denn aus irgendeinem Grund mochte diese Böswilligkeit entstanden sein. Bei diesen Nachforschungen waren unerquickliche Tatsachen ans Tageslicht gekommen. Beispielsweise wusste die Köchin,dass Frau Rosa ihrem Gemahl während einer Krankheit ein so genanntes Fieberwasser gebraut hatte, das aus allerlei Kräutern bestanden hatte. Und auch ansonsten habe sie mit Kräutern und Pulver manchmal nachts in der Küche hantiert. Dennoch, bisher war niemand vergiftet worden. Das wiederum sprach für Frau Rosa. Immerhin drängte sich nun dem Syndikus und den anderen Vernehmern die Frage geradezu auf, woher die Angeklagte eigentlich das Wissen um Kräuter und Gifte bezog. Die Äbtissin von Sankt Maria stellte ihr einen guten Leumund aus und wollte nichts von einer zwielichtigen Vergangenheit wissen. Die Kanonissen stellten wilde Vermutungen an, wussten aber de facto nichts. Doch plötzlich gab es einen geradezu phantastischen Hinweis aus ganz anderer Quelle. Man hatte Fahrende im IpperwaldHospiz befragt. Schließlich war ein Mord zu klären, und Fremde waren von vornherein irgendwie verdächtig. Und ja, diese Leute erinnerten sich an das junge Mädchen, hatten es an jenem Abend noch lebend gesehen. Schließlich hatte einer der Gewaltrichterboten die Frage gestellt, ob jemand die Frau Rosa kenne.
»Eine Rosa kannte ich einmal!«, hatte eine Alte geantwortet. »Aber die ist schon lange nicht mehr bei uns. Die hat nach oben geheiratet!«
Daraufhin war der Befrager neugierig geworden. Und so kam der Name Gudenau ins Gespräch. Alles weitere ging dann sehr schnell. Ja, Frau Rosa war die Tochter eines Theriakhändlers, der jedoch seit einigen Jahren verstorben war. Natürlich hatte sie ihm bei seinen Heiltränken und Pulvermischungen geholfen. Ein unbescholtener Kerl war der Mann auch nicht. Er hatte einige Tage seines Lebens am Schandpfahl verbracht, denn seine Mittelchen wirkten entweder gar nicht oder viel zu gut.
Letztlich
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