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Der Bernsteinring: Roman

Der Bernsteinring: Roman

Titel: Der Bernsteinring: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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und fassungslos aus.
    »Was ist denn?«
    »Anna, es... o heiliger Vitus, nein.«
    »Rosa, was hast du getan? Hast du Hrabanus ein Leid verursacht?«
    »Nicht ihm Anna. Nicht ihm. Dir...«
    »Nun sag es, Rosa, die Zeit drängt!«
    »Ja... Vor drei Wochen... O süße Maria! Anna, warum hast du mich das Lesen gelehrt! Ich wünschte, ich hätte es nie erfahren. Aber auch deine Bitte von damals fand Gehör.«
    »Mein Vater?«
    »Ja, ich weiß jetzt, wer dein Vater ist. Ich fand Unterlagen, als ich einen Vertrag für den Verwalter suchte. Das Schreiben, das Hrabanus damals aufsetze, als er an dem Wechselfieber litt, lag bei den Unterlagen, Anna. Ich war neugierig.«
    »Das warst du schon immer.«
    »Ich wünschte, ich wäre es nicht. Anna, ich weiß, was du für Hrabanus empfindest. Und nun glaubst du, der Weg wäre frei für dich. Doch er ist es nicht. Er wird es niemals sein. Anna, er bezeichnet darin dieStiftsschreiberin Anna di Nezza als die Tochter der Cosima Dennes, sein leibliches Kind.«
    Anna schwankte. Julius griff nach ihrem Arm.
    »Er liebt dich, ich bin mir dessen ganz gewiss. Wie nur ein Vater seine Tochter lieben kann.«
    »Ja.«
    »Du musst gehen. Sende ihm meinen Gruß. Ich habe oft meinen Launen nachgegeben, er hat Besseres verdient als mich. Leb wohl Anna, du warst mir immer wie eine Schwester.«
    »Leb wohl, Rosa!«
    Anna wandte sich ab, und Julius war an ihrer Seite.
    »Es ist hart, ich weiß, aber lasst uns eilen. Euer Brief mag Dinge in Bewegung setzen, die unser Vorhaben gefährden.«
    Sie eilten mit geschwinden Schritten durch die nächtliche Stadt. Der Mond war zu einer schmalen Sichel geworden, die Straßen voller finsterer Schatten. Manche Häuser waren zwar schon dunkel, doch vereinzelte Fenster waren von Kerzenlicht oder Lampen erhellt. Mitternacht war noch fern, und in den Schenken und Wirtshäusern herrschte reges Treiben. Die Karren der Kloakenreiniger rumpelten durch die Gassen, Fackelträger begleiteten wohlhabende Bürger zu ihren Bestimmungsorten oder kleine Gruppen von Besuchern zu ihren Herbergen, der Nachtwächter zog seine Runde, spähte in dunkle Toreinfahrten und Häuserwinkel. Dort wartete manch eine Dirne auf ihre Kundschaft, und der eine oder andere Beutelschneider lauerte auf einen trunkenen Gast, dessen Taschen leicht zu leeren waren.
    Sie erreichten die Sternengasse ohne große Umwege, und wirklich war dort noch reges Leben zu beobachten. Der schnelle Gang hatte Anna geholfen, mit dem Schock über Rosas Eröffnung einigermaßen fertig zuwerden. Julius und sie klopften an die Eingangstür des Hauses, und es wurde ihnen sofort aufgetan.
    »Frau Anna!«, rief die Beschließerin aus, und ihr Gesicht spiegelte reinstes Erstaunen wider.
    »Der Herr ist zurückgekommen. Führt mich zu ihm, es ist dringend.«
    »Er ist im Hof, beaufsichtigt das Entladen, Frau Anna.« »Dann führ uns in den Hof. Schnell.«
    »Aber...«
    Anna drängte sich ins Haus und durchquerte den ebenerdigen Raum, um den Hinterausgang zu erreichen. Der Hof war von Fackeln erhellt, und Männer luden ächzend Fässer und Säcke ab. Hrabanus Valens stand zwischen ihnen, Carolus und Gerhard an seiner Seite. Energisch bahnte sich Anna ihren Weg, Julius dicht hinter sich. Und dann stand sie neben ihm.
    »Herr, meinen Gruß!«
    »Du lieber Gott, Anna!«
    »Herr, ich muss Euch sprechen. Es geht um Rosa.« »Kind, ich habe deinen Brief gelesen. Ich kann im Augenblick nichts tun.«
    »Doch. Bitte schenkt mir Gehör. Und auch Meister Julius Cullmann.«
    »Gerhard, Carolus – macht hier weiter. Und ihr beide kommt mit.«
    Die Reise schien diesmal nicht besonders anstrengend gewesen zu sein, der Ratsherr sah energisch aus, und seine Bewegungen waren kraftvoll. Er führte sie in sein Kontor und schloss die Tür hinter sich. Anna setzte sich auf eine Truhe, der Sänger lehnte sich an den Tisch, der übersät mit Papieren und Büchern war, und Hrabanus nahm in dem geschnitzten Sessel Platz.
    »Rosa wird freikommen, Anna. Ich werde morgen im Rat vorsprechen.«
    »Rosa ist frei. Aber Ihr wisst nicht alles.«
    »Dann berichte mir.«
    Anna erzählte ihm von den Verdächtigungen, die Rosa in die Hände des Hohen Gerichts gebracht hatten, von ihren und Julius’ Schlussfolgerungen bezüglich des Büchsenmeisters und welcherart nun Rosas Zukunft sein würde.
    Hrabanus hatte schweigend zugehört. Selbst als Anna geendet hatte, sagte er noch nichts, dachte aber sichtlich intensiv nach.
    »Wäre ich hier gewesen, hätten die Dinge einen

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