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Der Bernsteinring: Roman

Der Bernsteinring: Roman

Titel: Der Bernsteinring: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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»Edwin, übernimmst du mal den Laden!«
    »Der soll aufpassen, dass wir nicht die wertvollen Sammeltassen klauen!«, flüsterte Rose vernehmlich.
    »Was für eine Hyäne!«
    »Wieso Hyäne?«
    »Die verbeißen sich auch in ihr Opfer und lassen nicht mehr los. Auf die Weise hat sie vorhin ein sehr lukratives Geschäft vermasselt.«
    Die Verkäuferin kehrte zurück und schloss umständlich die Vitrine auf, darauf bedacht, uns nicht in die Nähe der Kostbarkeiten kommen zu lassen. Mit spitzenFingern legte sie dann den goldenen Ring auf ein Samttablett. Ich nahm ihn hoch und betrachtete ihn.
    »Schau, Rose, er ist ganz klar, bis auf dieses Kreuzchen darin. Das Gold ist gediegen und umfasst den Stein nur mit einem Band.«
    Es hing ein kleines Schildchen mit einem handgeschriebenen Preis darauf an einem rotem Faden. Nun ja, die Hyäne hatte Recht gehabt, der Ring war wertvoll. Rose nahm das Schildchen ebenfalls in die Finger und sog hörbar den Atem ein.
    »Das ist ja wohl nicht wahr! Ein Bernsteinring, auch
    wenn er in Gold gefasst ist, soll so viel kosten?« »Natürlich. Das ist ein echtes, antikes Stück.«
    Die Hyäne weidete sich an unserer Fassungslosigkeit. Sie wusste nicht, warum.
    »Ich nehme den Ring. Stellen Sie mir die Unterlagen dazu zusammen! Expertise und Herkunftsnachweis, soweit sie die haben«, beschied ich sie kurz.
    »Bist du wahnsinnig?«, flüsterte Rose, als die Verkäuferin von dannen gerauscht war.
    »Nein. Das erkläre ich dir später. Willst du nun noch eine der Uhren haben?«
    »Der Laden verdient an dir genug. Mutter bekommt einen Blumenstrauß, und damit hat es sich.«
    »Du musst dich doch wegen meiner kleinen Verrücktheiten nicht zurückhalten.«
    »Lass mich nur.«
    Sie zog sich in ihr Schneckenhaus zurück, wie sie es manchmal tat, wenn sie mit der Realität nicht ganz zurechtkam. Meist tauchte sie nach wenigen Minuten wieder auf, also ließ ich sie in Ruhe und wickelte den Kauf ab. Als ich fertig war, sah ich sie noch immer neben der Vitrine stehen, aber fasziniert einen Mann anstarren, der gerade den Laden betrat.
    »Hallo, Linda!«, sagte er. »Ich bin ganz kurz in der Stadt. Ist der Chef da?«
    »Nein.«
    »Hey, was bist du so muffig? Richte ihm schöne Grüße aus. Ich melde mich die Tage wieder mal und lad ihn zum Essen ein.«
    »Private Angelegenheiten richtest du besser selbst aus. Ich bin hier nur die Angestellte!«
    »Ah so!«
    »Ja!«, giftete sie. »Ah so!«
    »Na, dann. Mach’s gut!«
    Er drehte sich um und ging mit schnellen Schritten zum Ausgang. Ich packte meinen Einkauf in die Umhängetasche und nahm Rose am Arm.
    »Hat der dich irgendwie hypnotisiert?«
    »Nein, ich war in Gedanken. Gehen wir.«
    »Ja, verlassen wir diese Schatzhöhle mit Drachen. Linda – du liebes Bisschen. Lindwurm wäre angemessener.«
    »Der war wohl auch ein ziemlicher Wurm über die Leber gekrochen. Ich vermute, ein kleines Zerwürfnis mit dem Chef.«
    »Auf den sie sich unberechtigte Hoffnungen gemacht hatte.«
    »Was die Betonung des bloßen Angestelltenstatus erklären würde.«
    »Valerius’ Freundin heißt Belinda. Soll ich sie mal fragen ob ihr Chef sie wegen einer unbekannten Schönen mit einer Narbe im Gesicht verlassen hat?«
    »Dann hast du anschließend vermutlich mehr als nur eine Narbe im Gesicht!«
    Wir alberten noch ein wenig herum und waren unversehens an einer Kirche angelangt.
    »Rose, ein Ausflug in die Vergangenheit der Anna Dennes?«
    »Maria im Kapitol, richtig. O ja, gehen wir hinein.« »Ja, es ist der richtige Ort, um dir zu zeigen, weshalb ich den Ring gekauft habe.«
    »Da ist mehr dran, als du in dem Laden sagen wolltest, nehme ich an?«
    »Ich wollte den Preis nicht in die Höhe treiben.« »Na, höher ging es wohl kaum.«
    »Liebe Schwester, das Ding gehört in ein Museum, nicht in einen Antiquitätenladen.«
    Wir gingen in den Kreuzgang, der sich um den Innenhof zog. Die Sonne malte bogenförmige Schatten auf den Steinboden, und wir setzen uns auf die Treppenstufen, die zum Eingang der Kirche führten. Ich holte das Kästchen aus der Tasche, öffnete es und holte den Ring heraus. Goldgelb leuchtete der Bernstein auf.
    »Er ist schön, Anita. Ohne Frage.«
    »Ja, und dieser kreuzförmige Einschluss hat ihn für seinen Träger sicher noch wertvoller gemacht. Für mich aber ist er deshalb so wertvoll. Schau mal, hier in der Innenseite des Rings.«
    Rose nahm in und drehte ihn hin und her.
    »Da steht etwas.«
    »Ja, da steht etwas: ›Letum non omnia finit‹.”

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