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Der Bernsteinring: Roman

Der Bernsteinring: Roman

Titel: Der Bernsteinring: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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Pilgerfahrt dorthin gemacht, um für ihre kranke Schwester zu bitten. Und sie ist wieder gesund geworden.«
    »Mh, vielleicht wäre sie auch ohne das wieder gesundet?«
    »Aber am Stein direkt ist ein Lahmer wieder gehend geworden, sie haben es selbst gesehen. Und ein stummes kleines Mädchen hat plötzlich angefangen zu sprechen.«
    Anna, die sich zwar mit großer Begeisterung den wissenschaftlichen Auslegungen widmete, war nicht frei vom Glauben an Wunder. Wunder gehörten zu ihrer Welt, in der so vieles nicht mit dem Verstand erklärt werden konnte. Wunder geschahen täglich, genau wie einen Schicksalsschläge jederzeit ereilen konnten. Innige Gebete wurden erhört, sei es vom Herrn selbst oder von den heiligen Fürbittern. Maria war eine oft gesuchte Fürbitterin, die sich in ihrer sanften Art besonders gerne für die Angelegenheiten der Frauen verwendete. In der Dreiheit von Maria, der Gottesmutter, Maria Kleophe und Maria Salome mochten sie sich vermutlich besonders wirkungsvoll der menschlichen Anliegen annehmen.
    »Ob die Äbtissin uns wohl erlauben würde, auch eine Pilgerfahrt dorthin zu unternehmen?«, fragte Rosa jetzt, nachdem Anna so lange geschwiegen hatte.
    »Ich weiß nicht. Wir können sie fragen.« Plötzlich kam Anna ein Gedanke. »Du möchtest die drei Marien um ein Wunder bitten, nicht wahr?«
    Rosa senkte den Kopf.
    »Du bist nicht gerne hier, ich weiß.«
    »Du schon, aber – Anna, du hast mich lesen und schreiben gelehrt, aber jetzt ist mein Wunsch nur noch größer geworden, wieder in der wirklichen Welt zu leben.«
    »Für mich ist diese Welt wirklich genug.«
    »Hast du denn gar keine Wünsche?«
    Das war eine Frage, der Anna geflissentlich aus dem Weg ging. Aber der Dämon in ihr wusste von der Heimlichkeit, und er jagte ihr das Blut in die Wangen. Rosa, die aufmerksame Rosa, bemerkte es.
    »Wir werden zu dem heiligen Stein der drei Marien gehen.«
    Es bedeutete einige Überredungskünste, ein paar sehr gewundene Formulierungen mussten gefunden werden und nicht zuletzt natürlich auch die Bestätigung, dass es sich wahrhaftig um einen alten Altarstein handelte, an dem wohl schon lange verstorbene Vorfahren die drei Marien angebetet hatten. Letzteres erwies sich jedoch noch am leichtesten. Der Priester, der die Pfarrkirche von Klein Sankt Martin betreute und auch dann und wann den Gottesdienst in der Stiftskirche abhielt, bestätigte das Gerücht. Auch er hatte von ernst zu nehmenden Zeugen über Wunder berichten hören. Und daher überlegten die Äbtissin und die Priorin, ob nicht auch für die Kanonissen ein Besuch dieser erbaulichen Stätte ein Segen wäre. Mitte Oktober, wenn die Tage noch schön, aber nicht mehr zu heiß waren, würde man sich in einer geschlossenen Gruppe auf den Weg machen.
    »Würden wir zu Fuß gehen, wären wir in einem halben Tag dort!«, murrte Rosa, die dicht gedrängt an Anna in dem Wagen hockte, der die Kanonissen zu dem Marien- Stein transportieren sollte.
    »Wir schon, aber Mutter Dionysia bestimmt nicht!«, korrigierte Anna sie.
    Die zwei von kräftigen, aber langsamen Pferden gezogenen Wagen wurden von einer Eskorte Stadtsoldaten begleitet, die den Schutz der Stiftsdamen, ihrer Äbtissin und der Priorin garantieren sollten. Es wurde mehrauf Sicherheit als auf Reisegeschwindigkeit geachtet. Behäbig und von häufigen Pausen unterbrochen kam der Tross voran, und der Nachmittag war schon weit fortgeschritten, als sie das Kloster der Zisterzienser-Nonnen erreichte, in deren Gästehaus man Unterkunft für die Nacht finden sollte. Das Kloster war klein, das Gästehaus noch kleiner, die Betten bloße Strohschütten. Aber eine Pilgerreise, das hatte die Ehrwürdige Mutter klar gemacht, bedeutete auch immer, sich in Demut und Bescheidenheit zu üben. Hinweise auf barfüßige Pilger, die sich fastend und gelegentlich auf Knien rutschend den heiligen Stätten näherten, waren gemacht worden, daher gab es wegen der dürftigen Unterkunft keine hörbaren Proteste.
    »Ich halte das nicht aus!«, murmelte Rosa in Annas Ohr. »Die alte Hadewig furzt wie ein Schwein mit Koliken, die Lucardis rotzt sich das Hirn aus dem Kopf, der Hilla quellen faulige Dämpfe aus dem zahnlosen Maul, wie aus einer Gruft voller verwesender Leichen. Zwischen diesen halb toten Kadavern soll ich die Nacht verbringen?«
    »Rosa!« Anna verstand Rosas Ausrutscher in die derbe Sprache zwar, aber sie gab sich schockiert.
    »Schon gut, es sind harmlose alte Wachteln. Aber es ist zu eng

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