Der Bernsteinring: Roman
die Tatsache, dass ich nicht noch durch weitere Brandwunden entstellt war als durch die am Arm undüber der Brust. Seine Forderung nach dem T-Shirt war berechtigt, das seine hatte ich damals ziemlich voll geblutet.
»Du bekommst dein T-Shirt, und ich lade dich heute Abend zum Essen ein.«
»In deiner Wohnung? Mit Kerzenschein und allem?« »In der Dönerbude nebenan, an Stehtischen mit Neonbeleuchtung!«
»Kannst du vergessen. Kerzen und Wein, und das Futter aus deiner Küche! Kuschelmusik brauchst du nicht, ich kann auch ohne.«
»O.k., o.k., Marc. Mal sehen, was sich auftauen lässt. Um acht?«
»Klar!«
»Wolltest du uns nicht auch mit einladen?«, fragte Cilly.
»Nein!«, antwortete Marc und gab ihr einen schnellen Kuss auf die Wange. »Für solche Einladungen bist du noch zu jung!«
»Du kannst bei Anita sowieso nicht landen. Die hat doch ihren Valerius!«
»Wen? Was verheimlicht man mir hier?«
»Das, liebster Marc, erzähle ich dir bei Kerzenlicht und Wein. Um acht!«
Ich nahm mir also von meiner Schwester frei und tätigte die Einkäufe. Marc war nach meiner Einschätzung nicht der Mann, den man mit den Finessen der vegetarischen Küche locken konnte, Marc war ein Mann für Steaks. Das machte die Zubereitung leicht. Salat, Folienkartoffeln und natürlich das, was alle harten Männer so schätzten – ein süßes Dessert. Unschlüssig stand ich am Marktstand, da fiel mein Blick auf die rotbackigen Äpfel. Gebacken, gefüllt mit Rosinen und mitVanillesauce serviert würden sie das Essen gefällig abrunden.
Er kam pünktlich, und ich überreichte ihm als Erstes ein T-Shirt, pompös eingewickelt und mit Goldband verziert.
Natürlich wollte er wissen, was es mit Valerius auf sich hatte, der, wie er sagte, zu seinem Rivalen um meine Gunst aufgestiegen war.
»Du hast schon einmal von ihm gesprochen, erinnere ich mich. In der Nacht, als ich dein Bettchen teilen durfte.«
»Was?«
»Hast du das berauschende Ereignis etwa vergessen?«
»Oh, Scheiße, nein. Die Amokfahrt meiner Mutter. Nein, die Nacht werde ich so schnell nicht vergessen.«
Uschi hatte es sich in einer frostigen Nacht bei Schneetreiben, alkoholisiert und unter Medikamenteneinfluss, in den Sinn gesetzt, mit dem Wagen an die Stelle zu fahren, an der mein Vater verunglückt war. Marc und ich hatten versucht, sie daran zu hindern. Anschließend hatte er sich mal wieder um mich gekümmert, und mich zittrig und erschöpft von dem Drama, nach Hause und ins Bett gebracht. Wider Erwarten war es eine keusche Nacht gewesen. Aber er hatte Recht, damals hatte ich von Valerius geträumt. Jenem Römer, Titus Valerius Corvus, der durch Julians Geschichten geisterte, die Rose und ich rekonstruierten. Ich erzählte Marc also zum wiederholten Male die Episode, ließ aber die römische Vergangenheit weg.
»Die berühmte Liebe auf den ersten Blick?«
»Ja, gibt es also doch. Ich hätte es auch nie gedacht.« »Und was hast du getan, um ihn wieder zu finden?« »Alle möglichen sinnigen und widersinnigen Versuche.
Mein schäbigster war, ihn wegen Nötigung anzuzeigen.«
Ich erzählte ihm von der Verhandlung, und diesmal war es Marc, der sich vor Lachen nicht halten konnte.
»Das ist zumindest originell. Aber langwierig«, gab er zu bedenken, als er sich gefangen hatte.
»Hast du eine besser Lösung? Dann nur her damit.«
Wie bei dem Essen, so hatte ich auch mit dieser Frage Marc richtig eingeschätzt. Einem Problem oder einer ungelösten Frage konnte er nicht widerstehen.
»Du weißt nichts weiter über ihn, als seinen Vornamen und seinen ungefähren Wohnort. Irgendeine Vorstellung, was er beruflich macht?«
»Überhaupt nicht. Aber am Hungertuch nagt er nicht, und im Rotlichtmilieu scheint er auch nicht tätig zu sein.«
»Die meisten Menschen verraten sehr viel über sich durch ihre Kleidung, ihre Autos und ihre Wohnungen. Gibt es Anhaltspunkte?«
»Daraus habe ich geschlossen, dass er kein mitteloser Penner ist. Er hat Kleidung, Auto und Wohnung, alles drei aus der gehobenen Klasse.«
»Anzug und Krawatte?«
»Zumindest an dem Tag nicht. Rollkragenpullover, Wildlederblouson.«
»Also nicht unbedingt Banker. Oder Freizeit?«
»Ich glaube nicht, er sagte etwas von einem geschäftlichen Termin zuvor. Kein Banker oder etwas in der Art.«
»Wohnungseinrichtungen sagen ebenfalls sehr viel aus. Ich könnte dir eine Menge über dich erzählen, wenn ich mir das hier so ansehe.«
»Ach ja? Was?«
»Eine junge Frau, die Wert auf eine gewisse
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