Der Bernsteinring: Roman
wohl. Kommt mir aber vor wie ein repräsentativer Ausstellungsraum. Entweder eine Luxusabsteige oder ein ungemein nüchterner Typ.«
»Das Schlafzimmer war anders.«
»Das will ich eigentlich gar nicht wissen, Schätzchen.«
»Würde das Bild des nüchternen Typs aber etwas mildern.«
»Kann ich mir denken. Darf ich trotzdem mal zusammenfassen, was wir da jetzt haben.«
»Aber gerne doch.«
»Ein Mann von konservativem Geschmack und Hang zum Echten und Wertvollen. Keine Statussymbole, aber offensichtlich ein Gespür für gelungenen Stilmix. Zusammen mit der legeren, aber korrekten Kleidung würde ich jetzt auf eine Verbindung von Kunst und Geschäft schließen. Was meinst du, sollen wir mal das Branchenverzeichnis nach Pfeife rauchenden Architekten oder Innenarchitekten durchflöhen, und den anrufen, der in Marienburg in einem modernen Mehrfamilienhaus am Park wohnt?«
»Und wenn du dabei auf eine Sekretärin triffst, die Schmitz heißt und das ›l‹ und das ›r‹ in der Aussprache verwechselt, dann hast du zumindest seine chinesische Assistentin gefunden.«
»Wo hast du die denn jetzt her?«
»Die hat die Uhr von ihm beim Juwelier abgeholt.«
»Nicht schlecht. Und jetzt noch ein ganz anderer Ansatz, Anita-Schätzchen. Ist dir in deiner egomanischen Leidversunkenheit eigentlich schon mal die Idee gekommen, Freund Valerius könnte dich genauso suchen, wie du ihn?«
Mir fiel der Unterkiefer buchstäblich nach unten.
»Nein, dachte ich es mir doch. Du bist es gewöhnt, deine Spuren zu verwischen, das habe ich nur zu deutlich gemerkt. Es ist an der Zeit, dein hübsches Konterfei der Welt zu präsentieren. Lass mich ein paar Fotos von dir machen. Ich bringe die schon in die Presse! Du und deine Schwester! Das Vermächtnis des Caesar King!«
»Marc, das meinst du nicht ernst? Du, nicht schon wieder den ganzen alten Staub aufwirbeln!«
»Opfer müssen gebracht werden!«
»Meine Mutter rastet erneut aus!«
»O ja, ich vergaß, du hast ja eine etwas impulsive Mama! Na, dann stell dich wenigstens dekorativ bei der Vernissage in Positur.«
Ich dachte einen Moment darüber nach, und dieser Vorschlag kam mir erträglich vor.
»Also gut, das ginge.«
Irgendwie war es Marc gelungen, mich aus der Resignation herauszurütteln. Er hatte wirklich eine besondere Art, das Leben zu nehmen. Er würde zwar die nächste Woche noch unterwegs sein, versprach aber, auf jeden Fall zwei Tage vor Roses Ausstellung vorbeizuschauen.
Als er gegangen war und ich die Küche aufräumte, fiel mein Blick auf die beiden Äpfel, die noch übrig waren. Opfer, hatte er gesagt, müssten gebracht werden.
Am nächsten Morgen, bevor ich zu unserer mittelalterlichenGeschichtsrunde zu Rose aufbrach, fuhr ich nach Köln und besuchte Sankt Maria im Kapitol. Ein weiterer Apfel gesellte sich zu denen, die zu Füßen der Mutter mit ihrem Sohn lagen.
23. Kapitel
Besuch bei Rosa
Schon als Anna vor ihrem Eintritt in das Stift einige Wochen in dem Haus des Gewürzhändlers gelebt hatte, war es ihr als reich und gepflegt erschienen. Doch die neue Herrin hatte noch weitere Veränderungen eingeführt. Die Stube, in die sie geführt wurde, wurde beherrscht von einem hohen Kamin, auf dessen Sims silberne Kandelaber standen. Die Wände waren mit kunstvoll geschnitzten Holzpaneelen bis in Schulterhöhe verkleidet, darüber spannte sich grüner, mit eingewebten gelben Mustern versehener Stoff. Ein breiter Schrank, ebenfalls sorgfältig geschnitzt, stand offen, und Rosa nahm eben zwei gläserne Pokale heraus. Mit schwellenden Polstern belegte Bänke standen an den Wänden, auf dem Tisch davor lag ein geknüpfter Teppich mit einem komplizierten Rankenmuster. Ein Strauß Sommerblumen stand darauf und verbreitete einen süßen Duft. Durch die bleiverglasten breiten Fenster strömte das Licht herein und ließ die Farben des Raumes üppig aufglühen.
»Welche Ehre, die Stiftsschreiberin Anna di Nezza besucht mich.«
Rosa stellte die Pokale ab und ging auf Anna zu. Doch die Begrüßung fiel weniger herzlich aus als sonst. Die beiden Frauen nahmen auf den Bänken Platz und ließen sich von der Magd mit Gebäck und Wein versorgen. Rosa gab sich heiter, aber es war ein seltsam hektischer Zug in ihrem Benehmen. Sie sprach über ihreneuen Kleider, die gesellschaftlichen Verpflichtungen, denen sie als Gattin des Ratsherren nachkommen musste, die Sorgen, die in einem so großen Haushalt wie dem ihren allgegenwärtig waren, aber sie sagte kein Wort über das, was
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