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Der Beschütze

Der Beschütze

Titel: Der Beschütze
Autoren: Belinda Bauer
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das Haus verkaufen und ins Heim gehen müssen.«
    »Nachdem sie ihr ganzes Erspartes ausgegeben hätte.«
    »Ja.«
    »Und Ihr Erbe.«
    »So läuft das heute eben«, erwiderte Priddy mit Leidensmiene. »Aber sie hätte hierbleiben wollen. Deswegen habe ich die Schwestern besorgt. Irgendwie bin ich froh, dass sie hier gestorben ist und nicht in irgend so ein beschissenes Pflegeheim musste.«
    »O ja. Ist doch viel besser, wenn sie in ihrem eigenen Bett stirbt, wie?«
    Marvel lauerte auf eine Reaktion, doch der Schuss ging ins Leere; Priddy starrte die welligen Fotos an, die an der Kühlschranktür hingen. Meistens Pferde, ein paar mit Margaret auf dem Rücken. Eins von einem pummeligen kleinen Jungen in einem Batman-T-Shirt.
    »Hatten Sie je das Gefühl, Ihrer Mutter könnte Gefahr drohen, Mr. Priddy?«
    »Nein.« Priddy wandte sich wieder zu Marvel um. »Von wem denn?«
    »Vielleicht von einer der Pflegerinnen?«
    Verblüfft schüttelte Priddy den Kopf. »Glaube nicht. Wieso?«
    »Sonst irgendjemand?«
    »Wer denn zum Beispiel?«
    »Sagen Sie mir doch mal, wer zum Beispiel«, gab Marvel zurück  – und die Worte hingen zwischen ihnen; ihr etwas harscherer Tonfall veränderte sogar die Luft im Raum.
    Peter Priddys Blick verhärtete sich. »Zum Beispiel nicht ich«, sagte er sehr bedächtig.
    Marvel zuckte die Schultern, den Blick fest auf Priddys
Augen geheftet. »Die ganze Kohle, die da jede Woche draufgeht. Eigentlich ja Ihr Geld …«
    »Das ist doch abartig.«
    »Die Menschen sind abartig«, entgegnete Marvel scharf. »Die meisten Mordopfer werden von jemandem umgebracht, den sie kennen. Von jemandem, den sie lieben. Ich frage ja bloß.«
    »Und ich sag’s Ihnen bloß.«
    »Also«, schloss Marvel und stemmte sich mit Hilfe einer schweren Hand auf dem Küchentisch vom Stuhl hoch, »vielen Dank, Mr. Priddy.«
    Schweigen.
    Reynolds klappte sein Notizbuch zu und sah aus, als fühle er sich unbehaglich.
    »Wir melden uns«, bemerkte Marvel, während er auf die Haustür zustrebte.
    Der große Mann sah ihnen nach, in seinen babyblauen Augen lag Verachtung.
    An der Haustür drehte Reynolds sich um. »Danke für den Tee, Mr. Priddy.«
    Priddy schnaubte und drückte die Tür zu. »Ich fasse es nicht, dass ich für euch nach den Keksen gesucht habe.«
    Sie gingen zum Auto.
    »Das ist ja prima gelaufen«, bemerkte Reynolds.
    »Schnauze«, knurrte Marvel.
     
    Im Laden kaufte Jonas sich ein Mars und löste das Preisschildchen von einer Dose mit Ananas ab, so dass Mr. Jacoby sein ungenutztes Talent zum Einsatz bringen und ihm mitteilen konnte, dass die Dose 44 Pence kostete.
    Er trat wieder nach draußen und sah ein Stück weißes Papier unter dem Scheibenwischer des Land Rovers klemmen. So funktionierte ein Dorf  – Klatsch und Tratsch über den Gartenzaun, Stille Post mit dem Briefträger oder dem Milchmann, müßiges Geplauder mit Mr. Jacoby oder Graham
Nash im Red Lion  – und solche kleinen Handzettel. Sie waren zu Hause am Computer erstellt und zeugten von stark variierender grammatikalischer Kompetenz, während sie alles Mögliche zum Inhalt hatten: ein Discoabend für Jungbauern, Mini-Privatflohmärkte, eine South Pacific- Aufführung der Winsford Woodbees, entlaufene Katzen und gefundene Regenschirme. Jonas zog den Zettel unter dem Scheibenwischer hervor und stieg in den Wagen, der noch warm war, weil er den Motor angelassen hatte. Er wusste, dass das gegen die Vorschriften verstieß, aber das hier war ja nicht Bristol, das hier war Shipcott, wo er jeden vom Sehen kannte und die meisten Leute sogar mit Namen. Niemand würde sein Auto klauen, außer vielleicht Ronnie Trewell, und wenn Ronnie den Land Rover stahl, dann wusste Jonas, wo er ihn finden würde. Also war das eigentlich weniger Stehlen als Borgen, wenn man es recht bedachte.
    Jonas entfaltete den Zettel und rechnete damit, ihn sogleich wieder zusammenzuknüllen und in die Plastiktüte zu schmeißen, die er als Müllbeutel benutzte.
    Stattdessen fühlte es sich an, als hätte er einen Schlag in die Magengrube bekommen.

    Stumm vor Schreck starrte Jonas die Worte an. Das kam so unerwartet. Die Nachricht bestand nur aus den Strichen eines Stiftes auf Papier, doch Verachtung stieg von ihnen auf wie etwas Scharfes, Stoffliches. Wer immer das geschrieben hatte, hasste ihn.
    Hasste.
    Ihn.
    Einen oder zwei Augenblicke lang konnte Jonas nicht denken  – er umklammerte das Stück Papier lediglich so fest, dass
seine Fingerspitzen weiß wurden, während sein
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