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Der Beschütze

Der Beschütze

Titel: Der Beschütze
Autoren: Belinda Bauer
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Magen sich schmerzhaft zusammenkrampfte.
    Dann spürte er, wie die Hitze der Scham an seinem Hals emporkroch und ihm in die Wangen stieg.
    Derjenige, der diese Nachricht geschrieben hatte, hatte recht. Er war Polizist. Der einzige Polizist in Shipcott! Und es war sein Job, die Leute zu beschützen  – sein Daseinszweck. Wenn er die Menschen nicht beschützen konnte, hatte er kein Anrecht auf den Titel. Der logische Teil seines Gehirns fing an, sich zu beschweren; er hatte doch nicht wissen können, dass Margaret Priddy Gefahr drohte. Doch Schuldgefühle brachten diese Klage rasch zum Schweigen. Er hätte es wissen müssen. Mrs. Priddy gehörte zu seiner Gemeinde, er war für sie verantwortlich. Und doch war jemand durch Mrs. Priddys Fenster gestiegen, hatte ihr ein Kissen aufs Gesicht gedrückt und ihr das an Leben gestohlen, was sie hatte. Er, Jonas Holly, war hier, um so etwas zu verhindern. Er hatte versagt, und sie war umgekommen  – so einfach war das.
    Jonas biss sich auf die Lippe. Er schaute sich um, ob ihn jemand beobachtete  – vielleicht ein Hinweis darauf, wer den Zettel geschrieben haben könnte, mit dieser seltsamen zackigen Handschrift. Sein Blick suchte die leere Straße ab, huschte von einem geparkten Auto zum nächsten, hielt Ausschau nach einer wachsamen Silhouette oder der plötzlichen Duckbewegung, die Schuld verraten könnte. Dann fuhr sein Blick zu den Fenstern der bunt gestrichenen Cottages hinauf, die sich entlang der schmalen Hauptstraße drängten, wartete auf eine zuckende Gardine, die den Schuldigen verriet.
    Nichts rührte sich, abgesehen von Billy Beers fettem Border Collie Bongo, der schnüffelnd auf den Dorfladen zutrottete, wo er jeden Tag vor der Tür lauerte, auf Leckerbissen hoffte und unachtsamen Kleinkindern sanft die Süßigkeiten aus den Fingern pflückte.
    Jonas kam sich in seinem eigenen Heimatdorf vor wie ein Fremder. Irgendjemand wusste, dass er seine Pflicht nicht
getan hatte. Schlimmer noch… dieser Jemand war nicht auf seiner Seite. Jonas hatte immer gedacht, die Leute aus der Gegend hielten große Stücke auf ihn. Jetzt hatte sich ein kleiner Eisdolch in diese warme Gewissheit gebohrt, und binnen eines Augenblicks hatte sich alles verändert.
    Und so was nennt sich Polizist!
    Jonas riss den Zettel in kleine Fetzen und presste diese Fetzen in der Hand zu einem formlosen Klumpen zusammen, ehe er ihn in die Mülltüte hinter dem Beifahrersitz fallen ließ.
    Dann sah er sich noch einmal im Dorf um und fuhr in banger Ahnung langsam davon, die sonderbar leere Straße hinunter.
     
    Lucy sah sich Der Exorzist an, scheibchenweise zwischen den verschränkten Fingern hindurch. So was Albernes! Sie hatte den Film Dutzende Male gesehen, er war total veraltet, die Story war so oft kopiert worden, dass das Ganze rückwirkend ein Klischee war. Die Spezialeffekte waren nichts als Erbsensuppe und Puppentheater  – und jedes Mal machte sie sich vor Angst fast in die Hose.
    Lucy hatte Psychologie studiert. Sie wusste, dass Dämonenbesessenheit völliger Quatsch war  – dass verschiedene Religionen damit jahrhundertelang Erkrankungen wie Schizophrenie oder multiple Persönlichkeitsstörungen erklärt hatten. Sie wusste das. Sie rief es sich ganz bewusst ins Gedächtnis. Sie glaubte, dass es so war. Doch der Gedanke, dass ein kleines Mädchen vom Teufel besessen war, die Weigerung einer Mutter, diese Tatsache zu akzeptieren, während ihr goldblondes Kind in scheinbaren Wahnsinn verfiel  – und am Schluss der Showdown in seiner ganzen höllischen Theatralik. Bei Lucy traf das genau ins Schwarze.
    Schon immer hatte sie Horrorfilme gemocht. Als Teenager waren sie lediglich ein Vorwand gewesen, einem Jungen zu erlauben, den Arm um sie zu legen, ohne sich wie ein Flittchen vorzukommen. Dann wurde sie süchtig nach dieser gespannten
Erregung  – nach dem Zusammenschrecken und dem Blut. Auf wie viele verschiedene Arten konnte einem Menschen eigentlich der Kopf abgetrennt werden? Wie weit konnte Blut aus einer gekappten Arterie spritzen? Und auf was alles? Oder auf wen? Lucy nahm jede neue Mordmethode wohlwollend zur Kenntnis. Freute sich über jeden cleveren neuen Trick, der sie vor Schreck zusammenfahren ließ. Verneigte sich in Ehrfurcht vor jedem Film, nach dem sie sich insgeheim wünschte, es gäbe eine schnellere Methode, an einem Winternachmittag das Licht anzumachen, als sich an Krücken durchs Zimmer zu schleppen und den Schalter mit dem Kinn zu betätigen.
    Doch sie
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