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Der Beschütze

Der Beschütze

Titel: Der Beschütze Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Belinda Bauer
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Zigarette. Er rauchte nicht oft  – heutzutage war das so verdammt umständlich  –, hier draußen jedoch, mitten auf dem Moor, mitten in der Nacht, paffte er heftig und fand es wunderbar, wie die Spitze der Zigarette jedes Mal aufglühte, wenn er daran sog.
    Er dachte daran, wie er durch das dicke Fell hindurch die Haut des Ponys berührt hatte, und musste an Margaret Priddy denken. Wie warm sie einst gewesen war, und wie kalt sie jetzt war.
    Und da war diese kleine Regung, die er früher oder später immer verspürte. Da war der Moment, als ihr Tod aufhörte, ein Job für ihn zu sein und zu einem persönlichen Kreuzzug wurde. Ein sterbendes Pferd war nötig gewesen, um ihn daran zu erinnern, dass jedes Mordopfer, auf das er jemals hinabgestarrt hatte, einst lebendig und verängstigt gewesen war und sich einem unrechtmäßigen Tod gegenübergesehen hatte. Marvel war erleichtert, jenes Steuerruder des persönlichen Affronts zu finden, von dem er wusste, dass es ihn jetzt während der ganzen Ermittlungen auf Kurs halten würde.
    Jonas fuhr langsam und ruckelnd ins Heidekraut; dann stieg er aus und ging um den Wagen herum, um das Pony loszumachen. Er merkte kaum, wie der tiefe, nasse Pflanzenwuchs Wasser durch seine Hosenbeine, seine Socken und seine Arbeitsschuhe trieb. Sein einziger Gedanke, der im Takt des Presslufthammers in seinem Gehirn auf ihn einprügelte, war, das hier hinter sich zu bringen, bevor sein Kopf platzte. Er zog an dem Seil und löste es mit der Schuhspitze so weit, dass er es wieder über das schlammverkrustete Fesselgelenk ziehen konnte.
    Das Pony lag ausgestreckt da, als stürme es frei über das Moor; im Tod sah es sonderbar leichtfüßig aus. Jonas wusste, dass die Füchse es binnen Stunden aufgespürt haben würden, und beim ersten Tageslicht würden die Krähen sich
seine Augen holen, die in seinem Schädel bereits zu stumpfen grauen Kieseln verblassten.
    Er stieg wieder in den Wagen und wendete ihn in Richtung Shipcott.
    »Und was ist mit dem Pub?«, fragte Marvel ein wenig verdrießlich.
    Jonas schwieg.
    Schweigend fuhren sie zu den Stallgebäuden, und der Land Rover wendete im Hof und kam kiesknirschend zum Stehen.
    Marvel schnaubte, als er sah, dass Reynolds mit dem Auto zurück war. Er hätte eine Stunde warten und es vermeiden können, von einem verendenden Pferd getreten zu werden. Und hätte sich trotzdem ein paar Bierchen genehmigen können.
    Er stieg aus und schaute zurück in den Wagen, sah Jonas an. Hoffentlich würde er jetzt nicht wieder mit Peter Priddy anfangen. Doch der Mann sah geistesabwesend und ziemlich verbissen aus. Wahrscheinlich sann er über all den Papierkram nach, der ihm morgen wegen seines Dienstwagens bevorstand.
    »Danke für die Einladung«, bemerkte Marvel halb im Scherz, doch da Jonas keine ironische Antwort gab, hingen die Worte zwischen ihnen in der Luft und vergoren zu etwas sehr viel Sarkastischerem  – sogar zu einer echten Gemeinheit.
    Scheiß drauf. Der Abend war eine Katastrophe gewesen, vom Anfang bis zum Ende. Er hätte bei Tracy Barlow bleiben sollen.
    Marvel schlug die Tür zu und sah zu, wie der junge Polizist davonfuhr.
    Es kam ihm vor, als sei es vier Uhr morgens, doch es war erst halb elf. Durch einen Spalt in Reynolds’ Vorhängen konnte er seinen DS vor einer Quizsendung sitzen sehen. Fast hätte Marvel laut gelacht. Typisch! Dieser verdammte Klugscheißer! Gab sogar an, wenn er allein war! Trotzdem,
ihm stand der Sinn nach Gesellschaft  – danach, von seinem Abenteuer zu erzählen.
    Gerade wollte er anklopfen, als er Joy Springers Küchengardine zucken sah. Aus einer Laune heraus ging er hin und klopfte stattdessen an ihre Tür. Sie öffnete sie einen haarbreiten Spalt und sah ihn finster an.
    »Wir haben oben auf dem Moor ein Pferd angefahren«, sagte er.
    »Und?«, gab sie zurück, während Asche bedrohlich von der Spitze ihrer Zigarette fiel.
    Marvel war nicht in Stimmung, um den heißen Brei herumzureden.
    »Ich bin ein bisschen durch den Wind. Haben Sie was zu trinken?«
    Sie streckte den Kopf nach draußen, um sich zu vergewissern, dass er nicht eine ganze Legion Schnorrer anschleppte, dann öffnete sie die Tür.
    In der Wohnküche war es drückend heiß  – genau so, wie es Marvel gefiel. Joy Springer holte zwei alte Becher aus der Anrichte und schenkte aus einer Flasche ein.
    »Setzen Sie sich ruhig, wenn Sie wollen«, sagte sie.
    Unter seinen Füßen waren Fliesen, bedeckt von einem wahren Teppich aus

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