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Der Beschütze

Der Beschütze

Titel: Der Beschütze Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Belinda Bauer
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Katzenhaaren. Eine Katze saß auf dem Küchentisch, und mit einem einzigen raschen Blick konnte Marvel vier weitere auf diversen nicht zueinanderpassenden Sesseln und einem Sofa ausmachen. Er entschied sich für das eine Ende des Sofas und wäre fast bis auf den Boden durchgesackt. Sie reichte ihm seinen Drink, und er nippte daran und verzog das Gesicht.
    »Was zum Teufel ist das?«
    »Dubonnet«, erwiderte sie pikiert. »Wenn er Ihnen nicht schmeckt, können Sie ihn ja in die Flasche zurückkippen.«
    Er zuckte die Achseln und nippte abermals. »In meinem Zimmer habe ich Jameson.«
    »Dann trinken wir den morgen«, verfügte sie.

     
    Das Badezimmer im Rose Cottage füllte sich immer rasch mit Dampf, der sich nur langsam wieder verzog, so dass die Feuchtigkeit eine halbe Ewigkeit lang in der Luft hing wie eine Fortsetzung des Moores. Er war so dicht, dass die Fenster mit Dampfgardinen verhängt waren und sie sich nie die Mühe machten, die Rollos herunterzuziehen, nicht einmal nachts. Jonas stand ganz still unter der Dusche und ließ sich von den Ereignissen dieses Abends reinwaschen, ließ das Rauschen des Wassers seine Erinnerungen übertönen, bis er leer und makellos war. So blieb er stehen, bis er fühlte, wie die Kälte des Todes aus jedem Teil von ihm wich, dann drehte er das Wasser ab, griff nach einem Handtuch und stieg über seine Kleider hinweg, die in einem feuchten Haufen auf dem Badezimmerboden lagen.
    Er wickelte sich das Handtuch um die Taille und putzte sich die Zähne. Reine Gewohnheit ließ ihn dabei in den Spiegel starren, doch der war beschlagen, und er wischte ihn nicht ab. Stattdessen betrachtete er die undeutliche Halbgestalt, wie sie sich im Takt seiner Putzbewegungen wiegte. Es war hypnotisierend und tröstlich, wie ein entfernter Zwilling, der hinter dem Dampf ein zweites Leben führte, ähnlich wie seins, aber doch auch anders, wo sämtliche Ränder angenehm unscharf waren und man sich mit nichts in harscher Klarheit auseinandersetzen musste. Jonas putzte sich die Zähne länger als üblich, bis sein Mund vor Minzefrische brannte. Dann stopfte er seine Kleider in den Wäschekorb und schrubbte trotz der späten Stunde Wanne und Waschbecken. Das konnte er von der Liste seiner häuslichen Pflichten streichen.
    Lucy lag schlafend im Bett. Sie mühte sich lieber nach oben, auch wenn er nicht da war, um ihr zu helfen. Manchmal konnte sie die Treppe ziemlich schnell hinaufkrabbeln; manchmal brauchte sie eine halbe Stunde dazu. Sie hatte sich angewöhnt, auf halber Höhe ein Buch auf den Stufen liegen zu lassen, damit sie Halt machen und sich ausruhen konnte,
ohne dass ihr langweilig wurde. Das Buch, das jetzt dort lag, war ein Roman mit dem Titel Das Diktat des Schicksals. Genauso, wie er nur sehr unklare Überlegungen über das Jenseits anstellte, wusste Jonas nicht recht, ob er an Schicksal glauben sollte oder nicht. Wer wusste schon, wie das Leben spielen würde? Was für Absonderlichkeiten warteten gleich hinter der nächsten Ecke? Und selbst wenn man alles kontrollieren könnte, würde man das wollen?
    Schnell und heftig rubbelte er sein kurzes dunkles Haar trocken und schlüpfte neben Lucy ins Bett, ehe die wundervolle Wärme der Dusche verfliegen konnte.
    Sie regte sich und rollte sich zu ihm herum.
    »Wo warst du denn?«, murmelte sie schlaftrunken.
    »In der Kälte und Nässe und nicht bei dir«, flüsterte er und streichelte ihr Haar.
    »Ich bin froh, dass du zu Hause bist.« Er konnte das träge kleine Lächeln in ihrer Stimme hören und spürte, wie sich ihre Hand zu seiner Hüfte hinpirschte. Im Dunkeln lächelte er darüber, wie das die Ereignisse dieses Abends hinter ihm versinken ließ, als hätte es sie nie gegeben.
    Sie nahm seine Hand und legte sie auf ihre kleine Brust.
    »Ich bin auch froh, dass du zu Hause bist«, sagte er und küsste sie zum ersten Mal seit Monaten mit eindeutigen Absichten. Gleichzeitig flüsterte er in ihren Mund: »Es tut mir leid.«

15 Tage
    Am nächsten Morgen ging Jonas um acht Uhr zu Fuß ins Dorf hinunter und war zum ersten Mal seit vielen Wochen wieder richtig glücklich.
    Der Morgen war so klar, dass ihm die Augen wehtaten. Der Himmel war bereits blassblau, während das Moor darunter unter einer dicken Raureifdecke funkelte wie Quarz. Jeder Atemzug fühlte sich in seiner Nase an wie Menthol. Seine Arbeitsschuhe waren noch immer klatschnass von dem Drama des Vorabends, also hatte er seine Wanderstiefel angezogen, mit drei Paar Socken drin.
    Der

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