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Der Beschütze

Der Beschütze

Titel: Der Beschütze Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Belinda Bauer
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jemals eins angefasst hatte, doch irgendetwas veranlasste ihn jetzt dazu, sich neben dem Kopf des Ponys niederzukauern und die Hand auszustrecken. Das Tier stieß ein schrilles Wiehern aus, woraufhin seine Hand kurz zurückzuckte. Doch weil Jonas ihn in Margaret Priddys Haus schon einmal ziemlich verängstigt erlebt hatte, streckte er sie abermals aus.
    Diesmal berührte er den Hals des Ponys. Das Fell war dicht, aber verblüffend weich und ein wenig feucht. Er ließ seine Hand darin versinken, bis er die heiße Haut spüren konnte.
    Einen Augenblick lang schien seine Berührung das Tier zu beruhigen, und er fühlte das schwache Pochen des Pulses unter seinen Fingern. Dann quietschte es auf und fing an, um sich zu schlagen, ließ Marvel mit einem heftigen Stoß mitten auf der Straße auf dem Hintern landen. Leicht benommen öffnete er die Augen und sah die Hufe des Ponys dicht vor seinem Gesicht vorbeizucken. Unwillkürlich hob er schützend die Hand, und sie wurde augenblicklich zur
Seite getreten. Er brüllte vor Schmerz auf, dann spürte er ein grobes Zerren am Kragen und wurde außer Reichweite der trommelnden Hufe geschleift.
    Seine Hand schmerzte unerträglich. Im Kopf ging er jedes Schimpfwort durch, das er jemals gehört hatte, in Wirklichkeit jedoch biss er sich lediglich auf die Lippe, presste die Hand in die Achselhöhle und bemühte sich, den Tränen des Schmerzes Einhalt zu gebieten, die seine Augen zu überfluten drohten.
     
    Wie betäubt starrte Jonas auf den Todeskampf des Ponys. Es musste innere Verletzungen haben, denn jetzt strömte Blut aus seinen Nüstern, und es gab blubbernde Quietschlaute von sich, versuchte mit sinnlosem, aber instinktivem Überlebenswillen noch immer, sich hochzurappeln. In der Wildnis war ein Pferd, das nicht aufstehen konnte, dem Tod geweiht. Dieses Tier hier war so oder so verloren, versuchte jedoch, immer noch auf die Beine zu kommen, in panischer Angst, von seiner Herde zurückgelassen zu werden und Raubtieren zum Opfer zu fallen.
    Sein Leiden mitanzusehen war entsetzlich. Es zu riechen war noch schlimmer. Unter dem Gestank nach Angst und Blut konnte Jonas den urwüchsigen Pferdegeruch nach staubigem Fell und Gras und Mist riechen. Aus irgendeinem Grund, den er nicht erklären konnte, machten ihm diese Gerüche mehr zu schaffen als alles andere.
    Endlich gab das Pony auf.
    Sein Kopf sank vor Jonas’ Füßen auf den Asphalt, während ihm weiterhin Blut aus den Nüstern rann. Die Flanken des Tieres pumpten weniger heftig, und seine Augen blickten ins Leere.
    Jonas war schlecht, ohne dass er sich hätte übergeben können. Er war todmüde, ohne dass er hätte schlafen können. Und die Kopfschmerzfunken waren in seinem Gehirn zu weißglühender Hitze entflammt.

    Wie aus weiter Ferne sah er zu, wie die Blutlache aus der Nase des verendenden Ponys auf seinen Schuh zustrebte. In diesem Licht sah es schwarz und ölig aus. Das Tier ächzte einmal, dann seufzte es abgrundtief, als der letzte Atem aus seiner Lunge entwich.
     
    »Ist es tot?«, fragte Marvel.
    Der Jüngere antwortete nicht. Marvel interpretierte dies als »Ja«.
    »Hat mir die Hand zu Brei getreten.« Seine Stimme war zittrig, und er beugte sich vor, um seine Hand im Licht des Autos zu begutachten. In dem roten Schein konnte er keinen Schaden feststellen, doch die ganze Handkante tat weh. Er richtete sich auf und schaute nach rechts und links, dorthin, wo sich, wie er wusste, das schmale Band der Straße über das Moor hinzog.
    »Wir sollten es wohl lieber von der Straße runterschaffen.« Marvel bückte sich. »Nehmen Sie mal ein Bein?«
    Jonas folgte seinem Beispiel nicht. »Es ist zu schwer«, sagte er stattdessen.
    »Meinen Sie?« Marvel packte einen Huf und lehnte sich zurück. Das Bein streckte sich, doch das Pony rührte sich nicht vom Fleck. »Helfen Sie mir?«
    »Nein.«
    Mit zusammengekniffenen Augen sah Marvel ihn an, als hätte er Jonas nicht richtig verstanden. »Was?«
    »Ich habe Nein gesagt. Ich mag Pferde nicht.«
    »Sie brauchen das Vieh ja auch nicht zu mögen, verdammte Scheiße noch mal! Es ist tot! Nehmen Sie einfach ein verdammtes Bein!«
    Jonas rührte sich nicht. Marvel ließ das Bein fallen, und der Huf schlug mit einem dumpfen Klacken auf der Straße auf. »Wir können es doch nicht einfach hier liegen lassen.«
    Jonas zuckte die Schultern
    Marvel zeigte auf den Land Rover. »Hat das Ding ’ne Winde?«

     
    Während Jonas das Abschleppseil klarmachte, gönnte Marvel sich eine

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