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Der Beschütze

Der Beschütze

Titel: Der Beschütze Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Belinda Bauer
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fiel.
     
    Jonas fuhr los. Er hatte keine Ahnung, wie er ihr die Wahrheit beibringen sollte: Ich kann ein Kind nicht beschützen.
    Denn im Kopf hörte er sie ständig fragen: Warum nicht?
    Und dann würde er ihr die Wahrheit sagen müssen.
    Niemand kann das …
     
    Marvel saß da, eine ungeöffnete Flasche Whiskey in einer Hand und die Zimmerantenne des Fernsehers in der anderen, und sah sich zum ersten Mal seit ungefähr zwanzig Jahren Coronation Street an. Er war schockiert und verwirrt, dass Tracy Barlow irgendwann eine Gefängnisstrafe wegen Mordes abgesessen hatte, und während er noch dahinterzukommen versuchte, wie einer Fünfjährigen auf legale Weise so etwas passieren konnte, klopfte jemand an seine Tür.
    Er hatte kein Auto gehört, doch er dachte, es könnte vielleicht Reynolds sein, der die DNS-Proben nach Portishead gebracht hatte. Marvel hätte auch selbst fahren können, hatte jedoch letzten Endes beschlossen, dass ein Abstecher zurück in die Zukunft zu diesem Zeitpunkt es nur viel schwerer machen würde, aufs Exmoor zurückzukehren.
    Daher war er ein wenig überrascht, PC Jonas Holly im Dunkeln stehen zu sehen.
    »Ich muss mit Ihnen über Peter Priddy sprechen.«
    Als Einladung hielt Marvel die Tür auf und fühlte augenblicklich, wie kalte Nachtluft in seine Behausung drang. Unvermittelt empfand er Mitgefühl mit Joy Springer und ihrer sorgsam gehüteten Zimmerwärme.
    Doch Jonas trat nicht ein. Stattdessen stand er zögernd im Hof und fragte dann, ob sie in den Pub gehen könnten.
Darum musste er Marvel nicht zweimal bitten. Er überließ Tracy Barlow ihrem Schicksal und schnappte sich seinen Mantel.
    Im Land Rover war es warm. Holly legte eine fachmännische Kehrtwende hin; dabei bemerkte Marvel Joy Springer, die hinter ihren Küchengardinen hervorspähte.
    Am Ende der Auffahrt bogen sie nach rechts ab  – die Gegenrichtung von Shipcott  – und fuhren hügelaufwärts übers Moor.
    »Nicht zum Red Lion?««
    »Ich dachte, es wäre besser, Dienstangelegenheiten nicht im Dorf zu besprechen.«
    Marvel nickte. Holly war an diesem Abend ganz anders. Jetzt hatte er nichts von einem Untergebenen an sich; er war erstaunlich kurz angebunden und sah aus, als grübele er über irgendetwas nach.
    »Ich habe mit Peter Priddy gesprochen. Dem steht echt der Kamm.«
    Marvel verstand die Anspielung nicht, doch er begriff, worum es ging. »Mr. Priddy versteht wohl das Ausschlussprinzip nicht.«
    »Er findet, er wird schikaniert.«
    »Er hatte ein Motiv, die Gelegenheit und wahrscheinlich auch die Neigung.«
    »Sie ist seine Mutter!«
    »Glauben Sie vielleicht, niemand bringt seine Mutter um? Oder seinen Vater? Oder die eigenen Kinder? Was, glauben Sie, ist das hier, verdammt noch mal, Legoland? Scheiße, Holly, werden Sie endlich erwachsen!«
    Jonas erwiderte nichts und trat das Gaspedal durch.
    Marvel sah zu, wie das leere Asphaltband, von schmutzigem Moorland gesäumt, aus der Schwärze auf sie zuraste und verschwand, sobald die Scheinwerfer darüber hinweggegangen waren. Es war, als sause er durch den Weltraum oder durch irgendein Gedärm. Die Finsternis hätte unendlich
oder beklemmend begrenzt sein können, das ließ sich unmöglich sagen. und das Dahingleiten war zeitlos und hypnotisch.
    »Wo ist denn der Pub?«, fragte er.
    »Withypool«, antwortete Jonas ebenso knapp, während er an einer T-Kreuzung hielt.
    Ein Stachelgewirr aus weißen Wegweisern ragte aus der Hecke gegenüber.
    »Withypool zwei einviertel Meilen«, las Marvel entrüstet. »Verdammte Scheiße, das ist hier ja wie in Mittelerde.«
    Jonas bog nach rechts ab und trat abermals aufs Gas, die Kiefer fest zusammengepresst. Allmählich machte es Marvel Spaß, ihn zu piesacken.
    »Er war zum fraglichen Zeitpunkt mit einer Frau zusammen. Nicht mit seiner eigenen.«
    Marvel rieb sich die Hände. »Na, das ist doch mal ein Wort! In Shipcott?«
    »Ja.«
    »Stimmt, wir haben mit jemandem gesprochen, der Samstagabend sein Auto gesehen hat. War er die ganze Nacht bei ihr?«
    »Ich denke schon.«
    »Denken heißt nicht, dass es auch so war. Haben Sie mit ihr gesprochen?«
    »Nein.«
    »Ein Wunder! Jemand, bei dem Sie nicht rumgepfuscht haben. Wer ist die Frau?«
    Jonas’ Fäuste umklammerten das Lenkrad fester. Das hier lief nicht so wie geplant. Er hätte das Ganze gründlich durchdenken sollen, bevor er sich an Marvel wandte. Er hatte gedacht, er täte Peter Priddy einen Gefallen  – dass Marvel dessen Alibi einfach akzeptieren würde, jetzt

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