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Der Beschütze

Der Beschütze

Titel: Der Beschütze Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Belinda Bauer
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Freundes sammelten, und schaute weg.
    »Man kann ja nicht die ganze Zeit auf sie aufpassen, verdammte Scheiße!«, schrie Danny plötzlich. » Jeden verdammten TAG!«
    Jonas berührte Dannys Schulter. Seine Hand wurde weggeschlagen, doch er legte sie wieder hin, und diesmal ließ Danny sie liegen. Er führte den anderen von der Menge fort, auf den Bach zu. Die beiden standen da und blickten über das gurgelnde Wasser auf das weiß bereifte Moor. Jonas sah Danny nicht an, während dieser weinte. Hinter ihnen waren nur sehr wenige Geräusche zu hören, wenn man bedachte, dass das ganze Dorf gerade mal hundert Meter entfernt war. Der Morgen war immer noch schön  – zumindest wenn man in diese Richtung schaute  –, und unvermittelt überkam Jonas das Bedürfnis, Danny am Arm zu packen und ihn durch den Bach und auf das Hochmoor gegenüber hinaufzuführen und einfach immer weiterzugehen, alles hinter sich zu lassen und sich niemals nach dem Grauen der Wirklichkeit umzudrehen.
    Natürlich tat er es nicht, doch er konnte förmlich schmecken, wie es wäre, es doch zu tun.
    Endlich brach Danny das Schweigen.

    »Sie fand es schrecklich, so zu sein«, sagte er leise.
    Jonas nickte.
    »Weißt du noch, wie sie früher war?«
    »Natürlich«, antwortete Jonas, und Danny seufzte.
    »Manchmal hat sie sich auch daran erinnert. Wie sie früher war. Das war das Schlimmste, weißt du? Nicht dass sie verrückt geworden ist, sondern dass sie gewusst hat, dass sie verrückt wird.«
    Jonas nickte. Er verstand.
    »Wenigstens ist das jetzt vorbei«, sagte Danny und wandte sich wieder der surrealen Szene zu, wie seine Mutter tot in der Nähe der Eckfahne lag, während das ganze Dorf schweigend von der gegenüberliegenden Seitenauslinie aus zusah, als wären die Leute gekommen, um ein Spiel zu sehen, und wären geblieben, um Zeuge eines Mordes zu werden. Dannys Vater war jetzt hinten im Notarztwagen, die beiden Rettungshelfer umsorgten ihn.
    Jonas sah, dass irgendjemand eine Decke über Mrs. Marsh gelegt hatte, und war unsinnigerweise dankbar, denn es war ein kalter Tag, trotz des Sonnenscheins.
    Danny schniefte, seufzte und schüttelte eine Benson & Hedges aus einer zerknautschten Packung, die er in seiner Jeanstasche gefunden hatte.
    »Alles klar, Jonas?«
    Verdutzt warf Jonas ihm einen raschen Blick zu. Mit ihm war alles in Ordnung! Er war doch nicht derjenige, dessen tote Mutter gerade wie ein Seehund aus einem halb zugefrorenen Bach gezerrt worden war. Wieso zum Teufel fragte Danny nach so was ?
    Er antwortete nicht, und Danny fragte nicht noch einmal.
    Ganz in der Nähe sang plötzlich eine Amsel, und Jonas ließ sich von ihrem Lied ausfüllen. Wenn er dem Leichnam den Rücken kehrte, gab es nichts als Schönheit in der Welt.
    Danny kniff die Augen zusammen, als er die einzige Wolke
in den blauen Himmel blies. »Wir sollten mal zusammen was trinken gehen«, meinte er.
    »Irgendwann mal«, erwiderte Jonas und hoffte, dass Danny begriff, dass das »niemals« hieß.
    Danny rauchte die Zigarette halb auf und schmiss den Rest in den Bach. »Ja«, sagte er. »Bis bald, Jonas.«
     
    Marvel sah, wie Danny Marsh sich von Jonas Holly abwandte und zu seinem Vater zurückging. Ohne den Blick abzuwenden, richtete er das Wort an Reynolds, der neben ihm stand, dieses verdammte Notizbuch aufgeklappt.
    »Was ist die Verbindung?«
    »Wie bitte, Sir?«
    »Die Verbindung. Zwischen Margaret Priddy und…« Mit einem Kopfnicken deutete er auf den Leichnam.
    »Yvonne Marsh.«
    »Genau. Angenommen, es handelt sich um einen Mord, und es ist derselbe Täter. Worin besteht die Verbindung?«
    Reynolds überlegte kurz. »Beide Mitte sechzig. Beides Frauen …« Ihm fiel nichts mehr ein.
    Jetzt sah Marvel Reynolds direkt an. »Beide eine Last für ihre Angehörigen, meinen Sie nicht?«
    Mit einem Nicken bekundete Reynolds bedächtige Zustimmung.
    »Könnte sein, dass zwei Familien schließlich nicht mehr können. Aber wenn nicht, wo ist dann die Verbindung? Viel wichtiger, wer ist die Verbindung?«
    »Ich weiß es nicht, Sir.«
    »Na ja, ich auch nicht«, stellte Marvel fest. »Noch nicht.«
    Er wies Pollard an, Jonas Hollys Kleidung für Jos Reeves im Labor einzutüten. Dieser Tatort war ein Witz  – im Freien und auf einem Spielfeld, das das halbe Dorf benutzte; zuallermindest Holly und die Skater waren darauf herumgetrampelt. Und der Leichnam hatte im Wasser gelegen und war dann von der Stelle bewegt worden, nur um alles noch komplizierter
zu machen.

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