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Der Beschütze

Der Beschütze

Titel: Der Beschütze Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Belinda Bauer
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Könnens? Wenn ja, wie viele Menschen plante der Mörder möglicherweise noch umzubringen? Wo würde seine Mordlust enden?
    Die Scham, die er beim Lesen der Nachricht empfunden hatte, kam zurück, zusammen mit dieser neuen Furcht und einer neuerlichen Woge der Hilflosigkeit. Er sollte die Menschen beschützen. Er sollte dort draußen auf hoher See sein und den Killerhai jagen, während er nicht mehr tat, als mit einem Krabbennetz auf dem Steg zu stehen und zu hoffen, dass das Monster vorbeischwamm und mit der Flosse winkte. Und wenn der Mörder wirklich hierzubleiben gedachte, dann wollte Jonas eigentlich nichts anderes, als sich mit Lebensmittelkonserven eindecken, die Türen verbarrikadieren und Lucy ganz fest in die Arme nehmen, bis das alles wegging.
    Nur dass das, wovor Lucy wirklich beschützt werden musste, niemals weggehen würde …
    Ein lautes Schluchzen entfuhr ihm, und er hielt sich den Mund zu und spürte, wie die Tränen seine Augen genauso wirkungsvoll erhitzten, wie das Bad seine Beine erwärmt hatte.
    »Jonas?«
    Er beugte die Knie und rutschte rasch an der Emaille
hinab unter Wasser, damit es einen guten Grund dafür geben würde, dass sein Gesicht nass war, wenn sie hereinkam.
     
    Der Killer war wütend.
    Margaret Priddy war in gewisser Hinsicht nicht zu vermeiden gewesen, Yvonne Marsh jedoch hätte niemals passieren müssen. Hätte Jonas die erste Botschaft verstanden, so hätte er seinen Job gemacht, und wenn Jonas seinen Job gemacht hätte, dann wäre Yvonne Marsh noch am Leben.
    Dem Killer erschien das alles sehr einfach.
    Er wusste nicht, warum Jonas es so kompliziert machen musste.
     
    Marvel sagte ihm ziemlich widerwillig, er solle sich den Rest des Tages freinehmen, doch Jonas wusste, dass er nicht zu Hause bleiben und sich aus allem heraushalten konnte  – nicht nach einem zweiten Mord in dem Dorf, für das er zuständig war. Doch Lucy wollte er auch nicht allein lassen. Er wusste, irgendwann würde er das tun müssen, aber heute war alles noch zu frisch, zu früh.
    Also ging er am Abend mit ihr in den Red Lion, angeblich um etwas zu trinken, doch sie wussten beide, dass man ihn sehen sollte, sehen sollte, dass er Anteil nahm.
    Im Pub herrschte paradoxerweise eine ziemlich nüchterne Stimmung, und sobald er eintrat, wusste Jonas, dass es keine gute Idee gewesen war herzukommen. Jeder wollte mit ihm reden, jeder wollte spekulieren, und jeder wollte wissen, was die Polizei unternahm. Das wäre ja schon schlimm genug gewesen, wenn er allein gewesen wäre  – allen zu sagen, dass er nichts anders tat, als vor einer Tür herumzustehen, während Leute aus dem Dorf umgebracht wurden  –, mit Lucy im Schlepptau jedoch war es wahrhaftig beschämend. Irgendwann drückte sie unter dem Tisch seine Hand, was das Ganze sogar noch schlimmer machte. Die Leute waren nicht unhöflich, doch er konnte sehen, wie die Wertschätzung,
die sie für ihn empfunden hatten, nachließ, als ihnen klar wurde, dass er eigentlich gar kein richtiger Polizist war, obwohl sie ihn alle jahrelang wie einen behandelt hatten. Es war ja gut und schön, mit einem protzigen Range Rover mit Frontschutzbügel und Winde in der Gegend herumzufahren, wenn es jedoch ans Eingemachte ging, hätten sie sich ebenso gut eine Vogelscheuche als Dorfbobby halten können, wenn er nichts anderes tat, als nur dazustehen.
    Jonas merkte, wie er ins Schwitzen geriet; er stand auf und ging zur Toilette, um ihnen allen zu entkommen. Er schloss sich in eine der beiden Kabinen ein und versuchte, klar zu denken.
    Wenn er nur zu seinem üblichen Tagesablauf zurückkehren könnte, dann wäre es nicht ganz so schlimm. Wenigstens würde es dann so aussehen, als täte er das, was er am besten konnte, während er die Mordermittlungen den Experten überließ. Aber Marvel würde ihm keine Chance geben. Das spürte er instinktiv. Vielleicht würde er ihn nicht für alle Ewigkeit vor der Tür stehen lassen, doch er würde Jonas niemals aus den Fängen lassen, solange er noch an jener eingebildeten Kränkung zu knabbern hatte. Er würde ihm irgendeinen anderen Scheiß auftragen, würde ihn weiter bestrafen. Jonas sah innerlich, wie sich die Tage vor ihm erstreckten, sinnlos, langweilig, wie er seine Stellung in der Gemeinde untergrub und  – was das Wichtigste war  – nichts dazu beitrug, den Mörder zu fassen. Es war ein düsteres Bild.
    Noch immer tief in Gedanken, trat er aus der Kabine und ging sich die Hände waschen. Als er zu dem zerkratzten,

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