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Der Beschütze

Der Beschütze

Titel: Der Beschütze Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Belinda Bauer
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der Tür ein letztes Mal piepsen. Er setzte dazu an, sich umzudrehen, den Mund zu öffnen, zu denken.
    Doch ehe er auch nur eine dieser Handlungen vollenden konnte, wurde alles schwarz.
     
    Hinter ihm waren Spuren im Schnee, die zur Sunset Lodge zurückführten, doch der Killer wusste, dass sie ihn nicht verraten würden.
    Er benutzte denselben Schnee, um sich das Blut von den Händen zu waschen.
    Die Nacht war bewölkt und mondlos, und das Dorf schlummerte wie Bethlehem  – in seliger Unwissenheit, ohne zu ahnen, wie verändert es morgen früh sein würde.
    Gerade wollte er aus der Gasse heraustreten, als er eine Bewegung am Ende der Straße bemerkte, oder zumindest unter dem trüben orangegelben Schein der letzten Straßenlaterne. Aus der Schwärze am Rande der bekannten Welt kam ein einzelner Jagdhund. Seine Nase prüfte den Schnee
vor ihm, seine braunen samtigen Ohren pendelten, als er den Kopf als Antwort auf die Gerüche des Dorfes hierhin und dorthin wandte. Der schlanke Körper des Tieres schimmerte im Laternenlicht, und selbst von hier aus konnte der Killer sehen, wie das glänzende Fell leicht über den Rippen des Hundes vor und zurück glitt.
    Aus den Abgründen eines Tiefseetraums trabte der Rest der Meute aus der Finsternis ins Licht. Lautlos wie Geister, fließend wie Sirup, mit schwingenden Schwänzen und suchenden Schnauzen zogen die drei Dutzend Jagdhunde in behäbigem Trott zwischen den Häusern dahin, als gehöre das Dorf bei Nacht ihnen.
    Hinter der Meute nahm der Zwingermeister Gestalt an. Bob Coffin, mit seinen kurzen, krummen Beinen, seiner Tweedmütze und seiner alten braunen Jacke, zerknautscht und zerknittert. Er hielt eine Hundepeitsche in der Hand, sah jedoch nicht so aus, als habe er vor, sie zu benutzen. Das war auch nicht nötig, die Hunde trotteten in vollendeter Eintracht und in völliger Stille vor ihm her. Selbst als irgendwo hinter ihnen ein kleiner Köter kläffte, achteten sie nicht darauf und liefen weiter.
    Der Killer verharrte, wo er war, im Schatten, wie hypnotisiert vom Herannahen der Hunde. Das Bild war seltsam, jedoch merkwürdig beruhigend. Plötzlich war er außerstande, sich zu bewegen, und er hatte auch kein Interesse daran, selbst wenn das hieß, dass man ihn sehen würde. Der Anblick der Hunde, die das dunkle Dorf im gefallenen Schnee in Besitz nahmen, war unwiderstehlich.
    Der erste Jagdhund war jetzt auf seiner Höhe und hob ihm den Kopf entgegen. Ihre Blicke begegneten sich kurz, dann senkte das Tier die Nase wieder auf den Schnee  – so wie man es ihm bei Todesstrafe eingebläut hatte; für einen Hund, der den Kopf hebt, um nach dem Fuchs Ausschau zu halten, ist bei der Jagd kein Platz. Der Killer sah zu, wie die Blacklands-Meute in einem fließenden Puzzle aus Braun, Schwarz
und Weiß an ihm vorüberkam, während sich ringsum nur das Geräusch eifrigen Hechelns in der Luft regte.
    Dann kam auch Bob Coffin an ihm vorbei.
    Der Zwingermeister sah den Killer kurz an und tippte in einem Markttagsgruß an die Mütze, ohne seine forschen, wiegenden Schritte zu verlangsamen.
    Der Killer sah die Hunde unter den Laternen hindurchziehen und in der Dunkelheit dahinter verschwinden, als hätten sie niemals existiert. Nur eine breite Schneise aus aufgewühltem Schnee entlang der Straßenmitte legte Zeugnis von ihrer Wirklichkeit ab.
    Der Killer seufzte, als hätte er etwas verloren, das ihm lieb und teuer gewesen war.
    Dann trat er achtsam in den entstellten Schnee und ging nach Hause, ohne eine Fährte zu hinterlassen.

6 Tage
    Marvel und Reynolds gingen schweigend von Zimmer zu Zimmer.
    Ginster, Hasel und Moos.
    Violet Eaves, Bridget Hammond und Lionel Chard.
    Alle waren gestorben, ohne aufzuwachen. Ihre Bettdecken waren nicht verrutscht, ihre Hände ruhten neben dem Körper. Bridget Hammond hielt noch immer ein zierlich besticktes Taschentuch lose in der Hand.
    Nach einer oberflächlichen Betrachtung ging Marvel davon aus, dass jedes der Opfer durch einen einzigen heftigen Schlag auf den Kopf entweder das Bewusstsein verloren hatte oder sofort daran gestorben war. Dann war der Mörder auf Nummer sicher gegangen, indem er sie mit ihren eigenen Kopfkissen erstickt hatte.
    Marvel stellte sich die rauen Hände des Täters auf den gebrechlichen Gesichtern vor, wie er das Kissen dort festhielt, bis er sicher war, dass sein Opfer nicht mehr lebte. Und dann zum nächsten ging.
    Daran dachte er, sagte jedoch nichts. Er traute sich selbst nicht. Und er konnte sich wegen des

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