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Der Beschütze

Der Beschütze

Titel: Der Beschütze Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Belinda Bauer
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trotzdem. Sollte der Mann ruhig glauben, man nähme ihn ernst. Konnte ja nicht schaden.
    Fast hätte Reynolds Jonas gefragt, ob er ihm etwas aus dem Imbiss holen sollte, dann jedoch dachte er, dass damit die Verbrüderung mit den Eingeborenen vielleicht ein bisschen zu weit getrieben würde. Und dann würde sich die Frage stellen, ob er Jonas’ Essen bezahlen sollte oder nicht. Das Ganze wäre ein bisschen heikel. Also verabschiedete er sich nur, stieg wieder in seinen Wagen und freute sich, dass er Marvel umgangen und damit seine Autorität untergraben hatte, und sei es auch nur ein winziges bisschen.
     
    Danny Marsh rief seinen Namen. Von irgendwoher.
    Nicht der erwachsene Danny  – Danny, der kleine Junge.
    Jonas versteckte sich vor ihm. Er wusste nicht, warum. Er wusste nur, dass Verstecken das Beste war, hier in den Ballen aus duftendem, juckendem Heu. Er versteckte sich und lauschte seinem Herzen zwischen seinen Ohren. Jedes Mal, wenn es schlug, wurde sein Kopf heißer. Sein Herz pumpte geschmolzenes Felsgestein, und er spürte, wie der Druck immer größer und größer wurde, bis er glaubte, seine Schädeldecke würde wegplatzen und der Gesteinsstrom darin würde wie ein feuriger Geysir in den Himmel emporschießen. Sein Kopf stand in Flammen, seine Füße jedoch waren eiskalt, und er schaute nach unten und sah, dass das daher kam, weil Dannys tote Mutter quer darüber lag. Ihr ausgeleierter grauer BH war hochgerutscht, und man konnte ihre schlaffen Brüste sehen, die wie Pfannkuchenteig über ihren Brustkorb schwappten.
    Schaudernd erwachte Jonas mit einem Ruck und trat heftig
mit dem Fuß aus. Lucy hatte die Bettdecke an sich gezogen, seine Füße lagen frei. Er atmete schwer, sein Haar und sein Nacken waren schweißfeucht.
    »Jonas!«, zischte ihm eine Stimme ins Ohr. Er riss den Kopf zur Seite. Dort war niemand. Es war ein Bruchstück des Traums, das in die wirkliche Welt entkommen war.
    Im Zimmer war es dunkel, und Lucy atmete so leise, dass er sich anstrengen musste, es überhaupt zu hören. Rasch warf er einen Blick auf den Wecker. Kurz nach drei.
    Mit vorsichtigen Bewegungen zog er die Decke wieder über seine Füße, und sein Atem ging allmählich etwas ruhiger, während sein Albtraum sich hinter ihm auflöste.
    »Jonas!«
    Er erstarrte.
    Dann nahm er Lucys Arm von seiner Brust und glitt darunter hervor. Sanft legte er ihn auf das warme Laken und deckte ihn mit der Daunendecke zu.
    In der Flanell-Pyjamahose und dem T-Shirt, die er im Winter zum Schlafen trug, ging Jonas ans Fenster und schaute in den Vordergarten hinunter, der blass unter den Sternen schimmerte.
    Nichts.
    Sein Blick fing eine Bewegung in der Gasse jenseits des Gartentores ein.
    Irgendjemand?
    Oder irgend etwas?
    Irgendetwas, das das Haus beobachtete. Irgendetwas, das ihn beobachtete.
    Irgendetwas tief im Verborgenen.
    Sein Verstand schwankte zwischen Schlaf und Wachsein, ließ die Ränder von beidem verschwimmen, während seine überanstrengten Augen nach dem suchten, der seinen Namen gerufen hatte.
    Er wusste, dass es Danny Marsh war. Mitten in einer Schneenacht war er gekommen, um zu reden. Wieder spürte
er die Bedrohung, die in Wellen von Danny ausgegangen war. Ein Teil von ihm wollte hinuntergehen, jetzt gleich. In den Schnee hinausrennen und zu Ende bringen, was er auf der Straße begonnen hatte. Ihn zu Brei schlagen. Ein Ende machen.
     
    Er musste lange, sehr lange halb vor sich hindösend am Fenster gestanden haben, denn als er schließlich wieder ins Bett ging und sich von hinten an seine Frau schmiegte, die er so sehr liebte, färbte das erste Licht der späten Morgendämmerung die Welt allmählich grau.
     
    Jonas Holly hielt sich für den Beschützer, aber der Killer war auch ein Beschützer, auf seine Art.
    Sie versuchten, verschiedene Menschen zu beschützen, das war alles.
    Nicht zum ersten Mal überlegte er, ob er mit Jonas reden sollte. Vielleicht wäre ein Gespräch von Angesicht zu Angesicht ja nützlich. Sollte Jonas nur sehen, mit wem er es zu tun hatte; mal sehen, ob sie nicht zu einer Art Übereinkunft kommen konnten. Er war ja kein unvernünftiger Mann.
    Obgleich der Killer Jonas wegen seiner Schwäche verachtete, kam ihm der Polizist trotzdem irgendwie dauernd in die Quere. Zweimal war er jetzt wegen Jonas von seinem Vorhaben abgebracht worden, und dafür zollte er ihm widerwillig Respekt.
    Wie dem auch sei, der Polizist machte vielleicht seinen Job nicht, aber er konnte den Killer nicht bis in alle

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