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Der Beschütze

Der Beschütze

Titel: Der Beschütze Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Belinda Bauer
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Einstellungskriterien lassen.
    »Wir hätten den Drecksack festnehmen sollen.«
    »Lange hätten wir ihn nicht festhalten können, Sir«, gab Reynolds zu bedenken. Es war nicht seine Art, Marvel wegen irgendetwas zu beschwichtigen, doch das war die Wahrheit.
    »Ist mir scheißegal. Der Arsch hat doch quasi zugegeben, dass er Margaret Priddy kaltgemacht hat, und genau da hätten wir ihn hopsnehmen müssen, sofort, und ihm das Leben achtundvierzig Stunden lang zur Hölle machen müssen. Vielleicht würden wir dann nicht hier stehen. Vielleicht wären diese drei dann noch am Leben.«
    Reynolds erwiderte nichts, denn er verspürte dieselben nagenden Schuldgefühle, weil sie Liss einfach nur als jemanden abgetan hatten, der sagte, was er dachte, während es jetzt ganz so aussah, als wäre da mehr dran gewesen. Sehr viel mehr.
    Dafür müsste er doch ein Psychopath sein.
    Ja, das stimmt.
    Marvel wurde bei der Erinnerung übel. Sie hatten Gary Liss hier zurückgelassen. Das hieß, sie hatten diese armen Leute in der Obhut eines Serienmörders gelassen. Wenn man es so betrachtete, war es ein Wunder, dass es nur drei Leichen waren. Allerdings waren ihm Wunder im Augenblick dermaßen fern, dass schon Jesus Christus persönlich die Treppe mit dem Schnörkelmusterteppich hätte heraufkommen und die Opfer von den Toten hätte auferwecken müssen, ehe er von dergleichen überzeugt gewesen wäre.

    »Sollen wir Gulliver anrufen, Sir?«, erkundigte sich Reynolds.
    Kate Gulliver war eine forensische Psychologin aus Bristol und einer der Menschen, die Marvel am allerwenigsten leiden konnte, auf einer Stufe mit Jos Reeves. Er verspürte jenen kleinen Stich des Verdrusses bei der stillschweigenden Folgerung, dass Reynolds meinte, er sei hier überfordert. Gleich darauf wurde ihm klar, dass er tatsächlich überfordert war  – oder dass es zumindest demnächst so weit sein würde. Sich jetzt zu weigern, Gulliver hinzuzuziehen, würde aussehen wie Fahrlässigkeit und übertriebenes Revierverhalten.
    »Rufen Sie sie an.« Er nickte Reynolds zu. Ihm war klar, dass sein Sergeant voll darauf abfahren würde  – und dass er seine Sache gut machen würde. Kate Gulliver war genau sein Typ, der Typ »jung und intelligent mit Prädikatsexamen«.
    Er hatte hier genug zu tun.
    Marvel wünschte, er könnte das Heim vernünftig räumen lassen, aber zweiundzwanzig alte, gebrechliche Bewohner zu verlegen war leichter gesagt als getan. Als er es vorgeschlagen hatte, hatte Rupert Cooke  – der unter seinem Regenmantel einen Paisley-Pyjama anhatte wie eine Figur aus einem Hercule-Poirot- Film   – angefangen aufzulisten, was sie alles mitnehmen müssten. Medikamente, Gehstöcke, Rollatoren, Rollstühle, warme Kleidung, Unterwäsche zum Wechseln … Als er bei den Inkontinenzeinlagen angekommen war, hatte Marvel abwehrend die Hand gehoben und darum gebeten, dass alle Heimbewohner ins Gartenzimmer gebracht wurden, bis die Spurensicherung den ersten Stock untersuchen und Zu- und Ausgänge einrichten konnte.
    Er bat Rupert Cooke darum, sein Büro benutzen zu dürfen, und wies Reynolds an, den Schreibtisch leerzuräumen, damit er seine Ellenbogen irgendwo aufstützen konnte.
    Grey meldete, sie hätten die Tatwaffe noch nicht gefunden, bestätigte jedoch, dass sie sich das Grundstück und den Friedhof draußen vornehmen würden, sobald es hell genug
war, und dass sie in einem Gitterraster mit der Suche beginnen würden, bis Verstärkung eintraf. Marvel wies ihn an, in der Zwischenzeit mit Singh zu Liss’ Wohnung zu fahren  – nur für den Fall, dass der Gesuchte doch dämlich war.
    Dann kam Dave Pollard hereingewalzt und sagte, eine Reporterin von einer Lokalagentur hätte von irgendeinem geschwätzigen Kollegen in der Zentrale von der ganzen Geschichte erfahren; sie sei unterwegs nach Shipcott und habe ihn schon dreimal angerufen. Sie hatte etwas von »da sein, bevor der ganze Zirkus losgeht« gesagt. Was, wie Pollard »dachte«, vielleicht bedeuten könnte, dass sie bald von der Presse belagert werden würden. Innerlich verdrehte Marvel angesichts von Pollards mangelnder Fantasie die Augen und zweifelte, ob er ihn jetzt als Verbindungsmann für die Presse einsetzen sollte, wo das Ganze anscheinend nationale Aufmerksamkeit erregte. Doch er hatte zu viel um die Ohren, um in diesem Stadium anzufangen, seine Leute neu einzuteilen.
    Um sechs Uhr früh rief er Elizabeth Rice an, um zu sehen, was die Marshs machten. Er wollte sich nicht auf Liss

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