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Der Beschütze

Der Beschütze

Titel: Der Beschütze Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Belinda Bauer
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wieder ein, dass er eigentlich Türwachdienst hatte. »Wenn es Ihnen recht ist, Sir?«
    Marvel nickte schroff. »Kommen Sie hinterher in die Einsatzzentrale. Ich brauche Sie jetzt für was anderes.«
    »Ja, Sir«, antwortete Jonas. » Betrachten Sie Gary als Verdächtigen? Ich will nur wissen, wie ich mit Paul umgehen soll.«
    »Aber hallo!«, knurrte Marvel. »Als einzigen verdammten Verdächtigen.«
    Jonas nickte neutral.
    »Besorgen Sie ein Foto von Liss«, wies Marvel ihn an, als er sich zum Gehen wandte. Dann fügte er hinzu: »Nach Möglichkeit eins, auf dem er keine Ledershorts anhat.«
    Reynolds und Marvel saßen eine Weile in der einschläfernden Wärme des Gartenzimmers. Hier drin war es weiß Gott wie im Sommer. Reynolds rümpfte die Nase. Der Raum war ordentlich und sauber, aber er roch nach alten Dingen.
    »Liss hat uns angelogen«, stellte Marvel fest.
    »Aber nur was seine sexuelle Orientierung betrifft«, gab Reynolds achselzuckend zu bedenken. »In einem kleinen Dorf ist das doch verständlich.«
    »Nicht bei einer verdammten Mordermittlung.«
    »Jonas scheint der Meinung zu sein, dass er zu so was nicht imstande ist.«
    »Scheiß auf Jonas. Der ist doch nur ein kleiner Pfadfinder.«
    Etliche alte Damen blickten bei dieser Ausdrucksweise auf, und Marvel senkte die Stimme. »Glauben Sie etwa, Liss war es nicht?«
    »Nein, Sir«, antwortete Reynolds und meinte es ernst. »Ich
wollte nur unvoreingenommen sein, das ist alles. Weil wir ihn doch noch nicht vernommen haben.«
    »Schön, wenn wir ihn hinter Gittern haben, bin ich auch unvoreingenommen. Bis dahin läuft er für mich unter Jack the Ripper, verdammte Scheiße noch mal.«
    Einer der Beamten von der Spurensicherung meldete sich von der Tür her. »Wir haben eine Spur.«
    Reynolds stand auf, doch Marvel rührte sich nicht von dem Klavierhocker weg. Stattdessen schürzte er die Lippen und sah sich unter den verbliebenen Heimbewohnern um. Sie schluchzten, hielten sich an den Händen und blickten mit neuer Angst in ihre eigene kurze Zukunft.
    »Die Alten, die Schwachen, die Kranken«, sagte Marvel mit leiser, harter Stimme. Reynolds musste sich vorbeugen, um ihn zu verstehen …
    »Das ist kein Morden  – das ist Aussortieren.«
     
    Jonas hatte keine Angst davor, Paul Angell allein aufzusuchen. Er wusste, dass es nicht Gary Liss gewesen war. Woher er das wusste, hätte er nicht sagen können. Genauso, wie er wusste, dass es nicht Peter Priddy gewesen war, und so, wie er gewusst hatte, wer die Leiche im Bach war. So, wie er wusste, dass der Mörder von Margaret Priddy auch Yvonne Marsh getötet hatte. Er spürte es einfach.
    Na super, schalt er sich halblaut, während er vorsichtig durch den Schnee nach Withypool fuhr. Er schien ja eine ganze Menge darüber zu wissen, wer alles nicht der Mörder war. Doch er hatte nicht das Gefühl, näher daran zu sein, zu begreifen, wer der Täter war. Und obwohl er nicht an den Ermittlungen beteiligt gewesen war, ahnte er trotzdem, dass Marvel auch nicht mehr Einblick in das Ganze hatte als er. Der Mann sah aus wie jemand, der gerade gemerkt hatte, dass er vom rechten Wege abgekommen und in Treibsand geraten war. Irgendetwas in Jonas’ Innerem freute sich darüber, dass der ungehobelte Marvel litt.

    Sie litten alle.
    Es fiel Jonas schwer zu erfassen, was mit seinem Dorf geschah, mit seinen Freunden und Nachbarn, mit dem Leben, das er gekannt hatte.
    Er hatte Lucy schon angerufen, von der Sunset Lodge aus. Hatte sie aufgeweckt, um zu fragen, ob sie das Messer griffbereit habe, keine Stunde, nachdem er sich so viel Mühe gegeben hatte, sie nicht zu wecken, als er auf das Vibrieren seines Handys hin aus dem Bett geschlüpft war. Seine Frau hatte ihn gebeten, die Frage zu wiederholen, und dann unwirsch erwidert: »Sekunde.« Sie hatte eine Ewigkeit gebraucht, um benommen das Licht anzuknipsen und sich nach dem Messer umzusehen, und unterdessen war Jonas der völlig bescheuerte Einfall gekommen, dass er es mit einem Gummiband an ihr festbinden sollte, so wie Surfer es mit ihren Brettern machten. Wenn ein Einbrecher bei ihnen einstieg, würde sie nicht »Sekunde« sagen können, während sie auf dem Nachttisch nach ihrer einzigen Verteidigungswaffe tastete.
    Schließlich hatte sie gesagt: »Ja, wieso?« und dabei immer noch gereizt geklungen. Auch wenn man sie nicht frühmorgens weckte und ihr befahl, nach irgendwelchen Küchenwerkzeugen zu suchen, konnte Lucys Stimmung in letzter Zeit recht wechselhaft sein. Dr.

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