Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Beschütze

Der Beschütze

Titel: Der Beschütze Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Belinda Bauer
Vom Netzwerk:
Wichramsinghe sagte, damit »müsse man rechnen«, doch Jonas rechnete nie wirklich damit.
    Er berichtete ihr kurz, was geschehen war, denn es ihr nicht zu sagen hätte sie nur noch mehr verärgert. Der Schock hatte sie verstummen lassen.
    »Ich komme nach Hause, sobald ich kann«, hatte er versprochen.
    »Okay«, hatte sie mit einer Stimme geantwortet, die nicht sauer oder genervt klang, sondern bloß ganz klein. »Pass auf dich auf, Jonas.«

     
    »Da ist Blut auf dem Dach.«
    Marvel folgte dem Finger des Mannes von der Spurensicherung mit dem Blick zu etwas, das wie schmale Schmierstreifen auf dem Glasdach aussah, zwischen einem kleinen Fenster oberhalb des Gartenzimmers und dem Fallrohr über der Regentonne. Er fragte sich, wie sie das von hier unten hatten sehen können, oder ob sie schon auf dem Dach gewesen waren.
    »Könnte vom Mörder stammen«, meinte Reynolds hoffnungsvoll, obgleich sie alle wussten, dass das sehr weit hergeholt und eigentlich eine Verzweiflungsvermutung war. Trotzdem.
    »Sieht aus, als wäre er da rein und wieder raus«, bemerkte der Mann von der Spurensicherung. »Und Fußabdrücke, die da entlangführen.«
    Der schmale Betonweg, der um das Gebäude herumführte, war glatt und bot dem Schnee eine perfekte Oberfläche. Und in diesem glatten, perfekten Schnee waren die Fußabdrücke zu sehen, wie eine Scherzfährte, der sie folgen sollten und die seltsamerweise an der Regentonne begann.
    »Kann kein Sohlenprofil erkennen«, maulte der Spurensicherungsexperte. »Vielleicht wenn’s heller wird …«
    Das Sohlenprofil des Mörders interessierte Marvel nicht. Ihn interessierte nur, wo er hinwollte.
    Im Halbdunkel folgten Marvel und Reynolds der Spur vom Grundstück der Sunset Lodge auf die Hauptstraße hinaus. Trotz der frühen Uhrzeit war die Straße vor dem Heim bereits von Reifenspuren durchzogen, von ihren eigenen Autos und denen der Kriminaltechniker. Doch die Gehsteige waren noch weitgehend unberührt, und es war geradezu lächerlich leicht, den Fußspuren zu folgen.
    »Ich komme mir vor wie Nick Knatterton«, bemerkte Reynolds.
    Marvel wusste, was er meinte, ignorierte ihn jedoch. Dann folgten sie eben einer Zeichentrick-Fußspur, na und? Und
wenn sie sie geradewegs zur Haustür des Mörders führte, na und? Sie hatten es verdient, bei diesem Scheißfall einen Schritt voranzukommen, und es wurde auch verdammt noch mal Zeit.
    In einem kleinen Schneehaufen, der von der Stufe vor einer Haustür geschoben worden war, sahen sie Blut.
    »Vielleicht ist er verletzt«, meinte Marvel und konnte nicht verhindern, dass Hoffnung in seiner Stimme mitschwang.
    »Vielleicht«, erwiderte Reynolds. »Oder vielleicht hat er da die Tatwaffe abgewaschen. Um das Blut abzukriegen.«
    Marvel nickte. Einen Augenblick lang standen sie da und ließen das Bild in ihren Köpfen Gestalt annehmen, dann eilten sie weiter.
    »Wir gehen genau auf das Haus von den Marshs zu«, stellte Reynolds in neutralem Tonfall fest.
    »Und auf die verdammte Garage«, knurrte Marvel leicht gereizt, als allmählich mehr Spuren im Schnee zu sehen waren.
    Sie gingen am Haus der Marshs vorbei, ohne anzuhalten, und überquerten dann die Straße  – die seltsam strukturlosen Abdrücke verschwanden im aufgewühlten Schnee, gingen jedoch auf dem Gehsteig auf der anderen Straßenseite weiter. Die beiden Polizisten wechselten einen raschen Blick, als der Schnee zu beiden Seiten der Tür des Dorfladens auf ungefähr zehn Meter dunkel und matschig wurde. Es war sieben Uhr früh  – durchaus spät genug, dass jede Menge Dorfbewohner sich ihre Morgenzeitung geholt oder sich mit frischer Milch eingedeckt haben konnten. Sie verloren die Spur aus den Augen.
    »Mist«, erklärte Marvel genervt.
    »Scheiße«, knurrte Reynolds.
    Sie blieben stehen, weil sie nicht riskieren wollten, aus Versehen irgendwelche Abdrücke zu zertrampeln.
    »Da.« Reynolds zeigte mit dem Finger.
    Die abgehackten Spuren des Mörders bogen in einen
schmalen, überdachten Durchgang neben dem Laden ab, wo kein Schnee lag. Dort verschwanden sie ganz einfach.
    Beide Männer starrten wachsam die Gasse hinauf. Sie wurde zu einem Innenhof.
    Niemand da.
    »Scheiße, wir haben ihn verloren«, stieß Reynolds hervor. »Im Schnee. Wie geht das denn, verdammt noch mal?«
    Er hob den Deckel eines grünen Müllcontainers an. Es war nichts darin. Sie inspizierten den Innenhof, doch auch dort gab es nichts Interessantes zu sehen. Nur Papierfetzen, ein paar Plastiktüten, die an der

Weitere Kostenlose Bücher