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Der Besen im System

Titel: Der Besen im System Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Foster Wallace
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sah Slotnik an.
    Eine Moment lang starrte Slotnik nur vor sich hin und versuchte, die widerspenstige Haartolle an den Kopf zu drücken, die sich aber sofort wieder aufrichtete. »Ich rufe die Polizei«, sagte er leise.
    Fieldbinder verzog den Mund zu einem schiefen Lächeln. »Und was soll die Polizei deiner Meinung nach tun?«
    Slotnik sah Fieldbinder an.
    »Was wir meiner Meinung nach aber sehr wohl tun sollten«, sagte Fieldbinder. »Wir sollten überlegen, ob es jemals zu einer Situation gekommen ist, bei der etwas hätte passieren können.« Er sah die Slotniks an. »Irgendetwas, das, egal wie unwichtig, dem Jungen geschadet haben könnte.«
    Slotnik blickte auf den Couchtisch.
    »War Steve hier jemals allein? Ohne dass einer von euch im Haus war?«
    »Keiner von beiden, nie, nie ohne Babysitter«, sagte Slotnik bestimmt. »Und wenn sie draußen waren, dann entweder mit uns, oder sie waren in der Schule oder mit Freunden zusammen. Zumindest wissen wir immer, wo sie sind.«
    »Das dachte ich mir schon.«Fieldbinder beugte sich vor, um seinen Aktenkoffer zu schließen. »Oder kann sich jemand erinnern, dass sich Costigan vor Steve irgendwie auffällig benommen hat? Hat er ihn vielleicht angesprochen? Oder irgendetwas Ungewöhnliches getan? Hat er ihn jemals angefasst?«
    »Nie«, sagte Slotnik.
    Stille.
    »Doch, einmal hat er ihn angefasst«, sagte Evelyn leise und sah hinaus auf den Vorgarten. »Aber nur ein einziges Mal.«
    Slotnik musste sich den Hals verbiegen, um unter seinem Arm seine Frau anzusehen. Fieldbinder schaute unbeteiligt.
    »Aber das Ganze war so unbedeutend, dass ich gar nicht auf die Idee gekommen bin, mit dir darüber zu reden«, sagte Evelyn. »Ich habe mir einfach nichts dabei gedacht. Es war nicht der Rede wert.«
    »Das würde ich gerne selber beurteilen«, sagte Slotnik.
    Evelyn zog den Kragen ihres Bademantels fester zusammen. Schniefend sah sie hinaus auf die Wiese. »Es war, als Steve, Scott und ich zum Wagen gehen wollten. Das alles ist schon lange her, Scott war noch klein, und Steve war zehn. Ich glaube, ich wollte Steve irgendwohin bringen, wohin, weiß ich nicht mehr. Der Wagen stand in der Auffahrt, und Mr. Costigan war auf der anderen Seite in seinem Vorgarten. Ich weiß noch, er war gerade dabei, den Löwenzahn aus dem Rasen zu zupfen. Er hatte da so eine kleine Schubkarre voller Löwenzahn. Jedenfalls stand er da.« Evelyn holte tief Luft, und ihr Bademantel ging wieder auf. »Wir sind stehen geblieben, um Hallo zu sagen, und wir haben uns ganz normal unterhalten. Er meinte, wie schwer es ist, den Löwenzahn ganz, also mit der Wurzel aus der Erde zu kriegen, weil die so zäh sind. Ich weiß nicht mehr, worüber wir sonst gesprochen haben. Und was er gemacht hat, das war ...« Evelyns Augen verengten sich, als müsse sie ihre Erinnerung genauer betrachten. »Na ja, also mittendrin, ohne Grund streckt er ganz langsam den Finger aus und berührt Steve damit. Nur mit einem Finger. Und berührt sein Hemd. Auf der Brust. Aber ganz vorsichtig.«
    »Was soll das heißen, vorsichtig? Dass er unser Kind vorsichtig angetatscht hat?« Slotnik sah auf Evelyn hinab.
    »Nein, es war eher wie ...« Evelyn sah Fieldbinder an. »Es war so, wie wenn man manchmal vor einem sauberen Fenster steht, aber wirklich ein ganz sauberes Fenster, und hinausschaut, und das Fenster ist so sauber, dass es scheint, es wäre gar nicht da. Kennt du das? Und obwohl man weiß, dass es da ist, aber nur um sicherzugehen, muss man es anfassen, aber höchstens ganz leicht. Nur berühren. So war das in etwa. Und Steve hat gar nicht reagiert, ich glaube, er hat es gar nicht bemerkt. Oder er dachte, Mr. Costigan hätte ihm nur kurz etwas vom Shirt gewischt. Aber das stimmt nicht. Es war alles so seltsam, aber andererseits auch nicht ... der Rede wert. Ich habe den Vorfall auch sofort wieder vergessen und ihn mir im Einzelnen auch nie klar gemacht oder in Worte gefasst.« Sie sah Fieldbinder an. »Das ist das Einzige, was je passiert ist, und es ist schon lange her.«
    »Verstehe«, sagte Fieldbinder.
    Die Slotniks sagten nichts.
    »Na ja, vielleicht versteht ihr jetzt, warum ich euch am Sonntagmorgen überfalle«, sagte Fieldbinder. »Ich dachte, ihr solltet es erfahren, irgendwann zumindest, und ich dachte, besser heute als später.« Er lächelte knapp.
    »Das war gut«, sagte Slotnik leise.
    »Nach allem, was ich drüben gesehen habe, wäre es vielleicht das Beste, mit Steve darüber zu reden. Aber ganz ruhig, ohne

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