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Der Besen im System

Titel: Der Besen im System Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Foster Wallace
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spielen lassen. Und wenn wir nicht da waren, hat er sich um die Post gekümmert und die Blumen gegossen. Wir mochten ihn.«
    »Also ein lieber Mensch.«
    »Ja, das war er«, sagte Evelyn.
    Einen Moment lang herrschte Stille. Slotnik räusperte sich. »Und das Haus?«
    »Relativ unproblematisch, soweit ich das bis jetzt beurteilen kann.« Fieldbinder schüttelte lächelnd den Kopf. »Eigentlich überhaupt keine Probleme. Dass ich mich gerade heute darum kümmere, liegt daran, dass so viel liegen geblieben ist nach der Sache mit meinem Haus, den Versicherungsleuten, der Feuerwehr und dem ganzen Papierkram et cetera.«
    »Tut mir verdammt Leid für dich, Monroe«, sagte Slotnik. »Das muss sicher ein Schlag gewesen sein. Wir wollten das Thema von uns aus nicht ansprechen, weil du es wahrscheinlich eh tausendmal durchgekaut hast.«
    »Es war nur ein Haus«, sagte Fieldbinder. »Alle wichtigen Unterlagen lagen im Büro, und Anwälte, wie du weißt, sind generell eher überversichert.« Da lachten sie alle, und Fieldbinder sah Evelyn an. »Traurig bin ich nur über meinen Vogel.«
    »Du hattest einen Vogel?«, fragte Slotnik.
    »Ja, ein sehr schönes Tier. Ein Weibchen. Sie fraß mir aus der Hand.«
    »Das ist schlimm«, sagte Slotnik und kratzte sich im Nacken.
    »Ja.«
    »Ja.«
    Abermals Schweigen. Slotnik nippte an dem Kaffee, mit dem er Evelyn umarmte. Evelyns Augen schauten sich alles im Wohnzimmer an – außer Fieldbinder. Die Enten auf Slotniks Schlafanzug sahen aus wie Stockenten.
    »Wie geht's den Kindern?«, fragte Fieldbinder.
    Evelyn räusperte sich. »Den Kindern geht’s gut. Steve macht gerade seine Abschlussprüfung und natürlich Baseball, also er hat ziemlich viel zu tun. Scott hatte eine Erkältung, aber jetzt geht es immer besser.«
    »Sind sie da?«
    »Ja, o Wunder, Scott ist sogar zum Frühstück erschienen«, sagte Slotnik. »Scott?«, rief er. Keine Antwort. »Ist wahrscheinlich weg. Hinten rausgegangen.«
    »Steve liegt noch im Bett«, sagte Evelyn. »Er hat heute Nachmittag ein Spiel. Er ist als Werfer aufgestellt, sagt Donald.«
    »Da kannst du drauf wetten«, sagte Slotnik. »Mit deinem Daddy als Trainer und wenn man einen Arm hat wie der Junge, dann ist man irgendwann Werfer.«
    »Schön zu hören«, sagte Fieldbinder.
    »Ja.«
    »Ja.«
    Slotnik setzte seinen Becher ab. »Aber du sagtest, du wolltest mit uns sprechen?«
    »Ja«, sagte Fieldbinder. Evelyn starrte aus dem großen Wohnzimmerfenster hinaus auf den Rasen des Vorgartens.
    Slotnik sah aus, als hätte er jetzt gern auf die Uhr geguckt, was nicht ging, da er keine trug. »Und worum geht's?«, sagte er.
    »Ich gehe jetzt mal davon aus, dass ihr Mr. Costigan doch nicht so gut kanntet.«
    »Wir sind Nachbarn. Für einen Nachbarn kannten wir ihn ziemlich gut. Wir haben uns am Zaun immer unterhalten, wie man das eben so macht.«
    »Sicher«, sagte Fieldbinder. Er schaute auf die Hände in seinem Schoß. »Und was ist mit den Kindern? Kannten ihn die Kinder auch?«
    Aus Slotniks Stirn wurde eine fragende Stirn.
    Evelyn räusperte sich abermals. »Nein«, sagte sie. »Also nicht besser als wir. Manchmal haben sie in seinem Garten gespielt, wenn es bei uns zu voll wurde. Wir haben vereinbart, dass nur zwischen unseren Häusern ein Zaun stehen soll, aber nicht weiter hinten im Garten. Er war wirklich nett. Er mochte die Kinder. Und die Kinder mochten ihn, nicht zuletzt wegen der Halloween-Tüten, die er immer verteilt hat. Da war richtig was drin, Maxiriegel von Hershey und solche Sachen, viel zu viel, um es alles auf einmal zu essen. Also er war wirklich nett, blieb aber eher für sich.«
    »Wie man das von einem guten Nachbar erwartet«, sagte Slotnik.
    »Ich glaube nicht, dass ihn die Kinder besser kannten als wir.«
    »Auch Steve nicht?«, sagte Fieldbinder.
    Slotniks Stirn verschlimmerte sich. »Monroe, was ist los?«
    Fieldbinder schniefte und langte nach unten, wo er seinen Aktenkoffer aufklackte. Er zog ein großes Foto hervor und reichte es, ohne den Blick von Slotnik zu nehmen, über den Couchtisch zu Evelyn.
    Das Foto war ein Farbfoto und zeigte einen Jungen mit Rucksack, der über den gepflasterten Gartenweg zur Haustür der Slotniks ging. Der Junge war etwa dreizehn Jahre alt, kerngesund, kräftig und ziemlich groß für sein Alter. Er hatte kurze, mattblonde Haare. Das Foto sah aus, als sei es aus größerer Entfernung aufgenommen worden. Im Vordergrund waren Ahornbäume zu sehen, Fieldbinder konnte einzelne Blätter

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