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Der Besen im System

Titel: Der Besen im System Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Foster Wallace
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gemeint.«
    »Bullshit.«
    »He, Lenore, ich will mich wirklich nicht zwischen zwei Menschen drängen, die...«
    »Wozwischen? Hat er das auch gesagt?«
    »Ach du... Kacke«, sagte Lang und massierte seinen Unterkiefer. Sein Spiegelbild blickte von Lenore weg. Dann schaute es nach unten und schien ihr – auf einmal, beinahe – zuzuzwinkern. Lenore sah hoch, doch der echte Lang schaute nur auf seine Hände.
    »Ach du verdammte ... Oberkacke«, sagte er zu sich selbst. Er trank von dem Wein. Lenore wischte sich mit heißen Fingern die Haare nach hinten.
    »Hör zu«, sagte Lang. »Das Ganze tut mir wirklich Leid. Zumal ich dir gegenüber sowieso genug Schuldgefühle habe. Aber vielleicht können wir, wenn alles ausgesprochen ist, ganz normal ...«
    »Warum solltest du mir gegenüber Schuldgefühle haben? Wegen Rick?«, sagte Lenore müde. Sie hatte die Augen geschlossen und massierte ihren Nacken. »Weil er dir all diesen Blödsinn erzählt hat, deshalb hast du Schuldgefühle, Andy? Nein, ich bin dir wegen gar nichts böse.«
    »Nein, weil es ein paar Dinge gibt, über die dir R. V. nicht die ganze Wahrheit gesagt hat«, entgegnete Lang. Er holte tief Luft und schaute wieder auf seine Hände. »Da ist einmal das Faktum, dass ich nicht irgendeinen Herbizid- oder Pestizid-Scheiß für euch übersetze.« Er sah sie an. »Sondern eine Broschüre für die Firma deines Vaters, irgendein Nahrungszusatz, mit dem die Kinder schneller sprechen lernen, ähnlich wie das, was du bei deinem Vogel erlebt hast.«
    Lenore sah in den Tisch. Stille. »Du arbeitest in Wahrheit für Stonecipheco?«, fragte sie.

    Lang antwortete nicht.
    »Und das bedeutet, Rick auch? Und Rick hat mir nichts davon erzählt?«
    »Ich fürchte, so ist es. Obwohl ich sicher bin, dass es dafür einen guten Grund gibt.«
    Lenore griff langsam nach der offenen Dose und goss Wein in ihr Roadrunner-Glas. Sie beugte sich in dem Stahlrohrsessel nach vorn, bis ihr Gesicht direkt über dem Tisch war. Auf der Weinoberfläche sah sie ein Stück von Lang, schimmernd und schaukelnd, Pfefferminzaugen in Gelb.
    »Er hat mir nämlich mehr oder weniger verboten, mit dir darüber zu reden«, sagte Lang und schaute Lenore von der Seite an. »Und weil er es mir ausdrücklich verboten hat, habe ich auch nichts gesagt.«
    Lenore schwenkte das Glas hin und her und schlug mit dem Boden gegen die Glasfläche des Tischs. Der Wein warf Wellen, und Lang zerbrach in Teile, die nicht mehr zusammenpassten.
    »Was wiederum bedeutet, dass du mir versprechen musst, R. V. nichts von unserem Gespräch zu sagen, sonst verliere ich meinen Job.«
    »Versprechen? Genauso, wie du Rick versprochen hast, nichts zu sagen, oder was?«
    Lang nahm den Schuh vom Tisch und beugte sich ebenfalls nach vorn, sodass sein Gesicht sich neben Lenores befand und sie nur noch durch eine gebogene Haarsträhne getrennt waren. Lang schaute auf diese Strähne. »Ich schätze, dieses Versprechen verbuchen wir unter Strategische Falschdarstellung«, sagte er leise.
    »Strategische Falschdarstellung.«
    »Ja. Weil ich es gegeben habe, als ich dich noch nicht kannte – und als du mir auch noch nichts bedeutet hast, menschlich bedeutet hast.« Lang setzte sein Weinglas ab und fasste ihre Strähne an, spielte mit ihr, langsam und sehr vorsichtig.
    »Ich verstehe.«
    »Wirklich? Das glaube ich nicht. Nicht ganz, Lenore.«
    »O doch. Ich habe verstanden«, sagte Lenore und stand auf, wodurch sie ihre Haare Langs Zugriff entzog. Sie ging hinüber zum Fenster und schaute hinaus auf die Häuser auf der anderen Seite der Straße. Überall brannte Licht.
    »Okay, dann frage ich dich, was«, sagte Lang von der Couch aus, wo er, wie Lenore im Fenster erkannte, wieder ein Bein übergeschlagen hatte, das Weinglas in der Hand. »Was hast du davon verstanden?«, fragte er.
    »Ich weiß nicht«, sagte Lenore nach einer Weile, allein mit ihrem Atem vor der kalten Scheibe. Sie beobachtete, wie das, was sie sagte, ihre Sicht verschlechterte. »Ich weiß nicht, was ich denken soll, mein alter Wang-Dang Lang. Deshalb sag's mir. Bitte sag mir, was ich denken soll, und ich verspreche dir, ich tu es. Ich denke, was du willst.«
    »Ach, das ist doch blöd, Lenore.«
    Lenore sagte nichts darauf.
    »Und bitte nenn mich Andy«, sagte Lang. »Und bitte nur Andy.«
    »Genau das brauchen wir«, sagte Lenore und nickte mit geschlossenen Augen. »Wir müssen es bloß einmal aussprechen. Diese ganze Manipulationsscheiße muss einmal ausgesprochen

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