Der Besen im System
Bombardini-Anschluss liegt einige Blocks westlich von Erieview. Die Anrufe gehen hier per Matrix-Sharing-Thread-Transfer ein, eine ebenso komplizierte wie altertümliche Technik. Euer Anschluss liegt direkt unter diesem Gebäude, unter diesem verknöcherten Knaben da draußen.« Peter Abbott wies auf den Fußboden.
»Und warum schauen Sie da unten nicht mal nach?«, wollte Candy Mandible wissen.
»Sorry, aber dafür bin ich nicht zuständig. Ich bin Endgeräte, keine Tunnelratte vom Stördienst. Meines Wissens haben sie heute Morgen auch schon jemanden rausgeschickt. Sollen die den Fehler finden, an der Anlage von euch Hübschen liegt es jedenfalls nicht. Das ist ein 28er- Modell, stimmt’s? Sieht man doch gleich.«
»Ja, ein Centrex 28.«
»Ich weiß, dass es ein Centrex ist, ich mache ja fast nichts anderes. Ehrlich, diese Scheiß-Centrex-Dinger gehen mir mittlerweile so was von auf den Sack, das glaubt ihr gar nicht.«
»Und was sagt der Entstör-Mensch?«, fragte Lenore. Candy nahm inzwischen den nächsten Anruf an.
»Keine Ahnung. Ich kann ihn ja wohl schlecht anrufen, oder?«
»Wie? Ausgehende Anrufe funktionieren auch nicht mehr?«
»Das war ein Witz. Selber anrufen könnt ihr noch. Und wenn ihr trotzdem bei einem der anderen betroffenen Anschlüsse landet, versucht es einfach noch einmal. Nein, ich muss mit dem Stördienst persönlich sprechen, schon wegen des Berichts.« Peter schaute auf Lenore. »Bist du verheiratet?«
»Das ist jetzt nicht wahr, oder?«
»Deine Kollegin hier ist auch nicht verheiratet, oder?«, sagte Peter Abbott zu Candy und nickte in Richtung Lenore. Seine Haare waren weniger blond als gelb, gelb wie ein Buntstift, und sein Gesicht war haselnussbraun. Nicht die Art Bräune, die von der Sonne stammte. Lenore tippte auf Cabana Tan. Der Kerl sah aus wie jemand auf einem Negativ.
Er seufzte. »Zwei unverheiratete Mädchen in höchster Gefahr...«
»Frauen«, korrigierte Candy Mandible.
»Ich bin auch nicht verheiratet«, rief Judith Prietht aus ihrer Kabine. Judith war etwa fünfzig.
»Schön für Sie«, sagte Peter Abbott.
»Aber können Bambi und Big Bob und all die anderen jetzt noch angerufen werden?«, fragte Lenore. »Klingelt es bei denen überhaupt?«
»Manchmal ja, manchmal nein«, sagte Peter Abbott und ließ seinen Werkzeuggürtel klingeln. »Im Augenblick weiß niemand, wo die Anrufe hingehen, und das ist definitiv kein ordnungsgemäßer Zustand. Das Problem ist, das System ordnet euch keiner Nummer mehr zu, was es eigentlich tun sollte. Anders ausgedrückt: Der Anruf sucht sich irgendein Endgerät, aber nicht das, das mit der Zielrufnummer verbunden ist.«
»Na prima.«
»Wenigstens habt ihr jetzt mal was zu tun«, sagte Judith Prietht. »Bei euch rufen doch auch sonst nur Leute an, die sich verwählt haben. Würde mich nicht wundern, wenn ihr kurz vor der Pleite steht. Aber was will man auch mit einem Verlag in Cleveland, das hat es ja noch nie gegeben.«
»Schöne Schuhe«, sagte Peter Abbott zu Lenore. »Ich habe so ähnliche.«
»Weiß Rick eigentlich, was hier los ist?«, fragte Lenore Candy.
Candy hielt inne. »Ach ja, Lenore, du sollst dich sofort bei Rick melden.«
»Weswegen?«
»Wer weiß das bei ihm schon? Ich weiß nur, dass er einen regelrechten Krampfanfall bekommen hat, weil du nicht da warst. Das war um eine Minute nach zehn. Und permanent ruft er hier unten an, um zu fragen, ob du schon da bist. Und damit es nicht ganz so blöd aussieht, gibt er sich als jemand anders aus, hält sich die Nase zu, spricht durch ein Taschentuch oder probiert es mit seinem grausamen englischen Akzent. Auf jeden Fall tut er so, als käme der Anruf von draußen, obwohl auch er weiß, dass das nicht klappt, weil das Lämpchen bei Hausanrufen viel schneller blinkt. Nicht einmal die Zeitungen hat er abgeholt. Vermutlich sitzt er völlig verstört im Büro und spielt mit seiner Mütze.«
»Also nichts anderes als sonst auch«, sagte Judith Prietht, die gerade ein Sandwich auswickelte und kokett zu Peter Abbott hinüberschaute, der seinerseits über den Tresen in Lenores Ausschnitt starrte.
»Gott, mit ihm muss ich auch noch reden«, sagte Lenore.
»Herrje, das hätte ich beinahe vergessen. Wie entsetzlich. Du musst ja vollkommen durchgedreht sein. Alles okay mit dir?«
»Ja. Vern kommt um sechs. Sobald ich kann, rufe ich Rick an. Und meinen Vater. Und seinen Anwalt.«
»Ich ahne es«, sagte Peter Abbott. »Ich ahne es.«
»Du hältst den Mund«, sagte Candy
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