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Der Besen im System

Titel: Der Besen im System Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Foster Wallace
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voller Fell. Ich bitte um mehr Zeit. Und eine Haarbürste mit Noppen.
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    Ein großer Nachteil des neuen Ultra-Kompaktautos von Mattel, das Lenore besaß, bestand darin, dass man es mit gezogenem Plastikchoke mindestens fünf Minuten warmlaufen lassen musste. Das war besonders im Sommer lästig, denn fünf Minuten saß sie bei laufendem Motor, der unangenehme Geräusche machte, in einem Mini-Backofen, ehe sie losfahren konnte und kühle Luft durch die Fenster strömte. Während der Aufwärmphase auf dem Parkplatz des Wohnheims beobachtete Lenore, wie eine Ameise an irgendetwas in dem Klecks Vogelkot knabberte, der oben an ihrer Windschutzscheibe klebte.
    Die Ameise riss es fort, als Lenore auf den inneren Ring der I-271 fuhr und Gas gab. Die Büros des Verlags Frequent & Vigorous lagen an der Erieview Plaza in Downtown Cleveland, direkt am Eriesee. An der Anschlussstelle Shaker Heights wählte sie zunächst die Fahrtrichtung Süden und Westen, um später auf der I-271 nach Norden zur Innenstadt abzubiegen, was bedeutete, dass sie eine ganze Weile der verschwenderischen und äußerst beliebten Peripherie von East Corinth folgte, wo ihr Apartment lag.
    East Corinth war in den Sechzigerjahren von Stonecipher Beadsman II gegründet worden, Sohn von Lenore Beadsman, Lenore Beadsmans Großvater, der später, 1975, im Alter von erst fünfundsechzig Jahren bei einem Produktionsunfall ums Leben kam, gerade als bei Stonecipheco Baby Food Products die ersten – katastrophalen – Versuche anliefen, eine marktfähige Alternative zu Jell-O-Wackelpudding zu entwickeln. Stonecipher Beadsman II war ein Mann mit vielen Talenten und noch mehr Interessen. Er war nicht nur ein fanatischer Kinogänger, sondern auch ein begnadeter Freizeitstadtplaner, der seiner Begeisterung für Jayne Mansfield auf die ihm eigene Weise Ausdruck verlieh, indem er East Corinth als riesige Silhouette dieser Schauspielerin anlegte. Von oben nach unten: von Shaker Heights durch ein kompliziertes Netzwerk gewundener Straßen und Sträßchen, über die feinen Züge aus Häusern und kleinen Geschäften, die Stupsnase eines Parks, das offene Lächeln eines Kreisverkehrs, den Schwanenhals des Highway-Zubringers mit seinen Reihenhäusern, ehe die Stadt gen Westen megamäßig anschwoll und die Industrie sich in die Brust warf und die Ringstraße zu einer atemberaubenden Kurve veranlasste, die einige Meilen weiter südlich nicht minder dramatisch von einem Mischgebiet tailliert und zurückgenommen wurde, das heißt von Geschäften, Ein-, Mehrfamilien- und Apartmenthäusern, unter anderem dem, in dem Lenore Beadsman selber wohnte und von dem aus sie an diesem Morgen die ganze Jayne Mansfield entlang nach Shaker Heights gefahren war. Hausbesitzer und Firmen aus den westlichen Stadtteilen waren gehalten, ihre Immobilien in den im Liegenschaftsplan geforderten realistischen Farben zu gestalten, eine Maßgabe, die besonders in der (industriell forciert entwickelten) Westspitze nahe Garfield Heights nicht immer auf Gegenliebe stieß. Dafür war East Corinth bei Piloten umso beliebter. Der absichtlich niedrige Landeanflug zum Flughafen Cleveland-Hopkins ging deshalb auch selten ohne größere Showeinlagen wie dem Wackeln mit den Tragflächen oder speziellen Lichtsignalen vonstatten. Die Anwohner jedoch, die vielfach nicht wussten, dass sie sich auf der Körperoberfläche von Jayne Mansfield bewegten, schimpften und reckten die Faust gegen die Flieger. Lenore lebte jetzt zwei Jahre in East Corinth, etwa seit der Zeit, als sie das College verlassen und beschlossen hatte, dass sie weder zu Hause wohnen noch in die Familienfirma Stonecipheco eintreten wollte. Im Süden mündete die 271 m die 77, und die 77 führte weiter nach Bedford, Tallmadge, Akron und Canton und danach in die Great Ohio Desert, an deren Peripherie man noch Heerscharen von Anglern begegnete, an Hunderten von Getränkeständen vorbeifuhr, ehe man allein war mit meilenweitem, aschfeinem, schwarzem Sand, Kaktussträuchern, Skorpionen.
    Das Bombardini Building, Sitz des Verlagshauses Frequent & Vigorous, ließ sich zuverlässig an zwei Dingen erkennen. Zum einen ergab der Blick aus Süden auf den Erieview Tower, dass dieser unweit des Terminalgebäudes von Clevelands City-Airport gelegene Kasten die Sonne jeweils nur links oder rechts an sich vorbeiließ und alles andere mit seinem Schatten verdunkelte, ein Schatten, der im Erdboden mit dem Gebäude zu einer schwarzen Einheit verschmolz, sich dann jedoch

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