Der Besen im System
die vernünftigen und anfangs noch höflichen Bitten seitens eines oder gar aller Nachbarn, den Krieg gegen potenzielle Schädlinge zumindest in seinem Umfang etwas zu begrenzen, bevor all das noch einen Keil in unsere Tennis-Freundschaft trieb, einen Keil so groß wie eine Scott-Tennistasche, angenommen, Rex Metalman hätte also in meiner Gegenwart das Szenario entworfen, dass ich zehn Jahre später, also heute, dass ich heute in Cleveland wohne, Cleveland, Ohio, genauer gesagt, zwischen einem biologisch toten und darüber hinaus widerlich stinkenden See und einer künstlichen, viele Milliarden Dollar teuren Wüste, hätte gesagt, dass ich heute geschieden bin und meinen Sohn so gut wie nie sehe und dass ich zusammen mit einem unsichtbaren Partner eine Firma leite, einen Verlag, dessen einziger Geschäftszweck offenbar in der Erzielung von Steuerverlusten besteht, da unter seinem Signet so gut wie nichts erscheint, und dass ich, Gipfel des Undenkbaren, heute einen Menschen liebe, unsterblich, blödsinnig, leidenschaftlich und vollkommen liebe, der immerhin, ich rechne nach, achtzehn Jahre jünger ist als ich, eine Frau aus einer der ersten Familien Clevelands, eine Frau, die in einer Stadt wohnt, die ihrem Vater gehört, und die dennoch als Telefonistin arbeitet für vier Dollar die Stunde, eine Frau, die immer nur weiße Baumwollkleider und schwarze Converse-Basketballschuhe trägt, gleich einer unergründlichen und beunruhigenden Uniform, und die sich, vermute ich, fünf bis acht Mal am Tag duscht, sich ihre Neurosen zurechtschnitzt wie ein Walfänger einen Walzahn und die mit einem narzisstisch-schizophrenen Vogel und einer eindeutig nymphoman veranlagten Schlampe eine WG teilt und in mir irgendwo – wer weiß schon, wo – den idealen Liebhaber sieht ... ... angenommen, all dies wäre mir damals von Rex Metalman mitgeteilt worden, etwa am Gartenzaun zwischen unseren Grundstücken, ich mit meiner Harke in der Hand, er mit seinem Flammenwerfer, ich hätte sicher geantwortet, die Wahrscheinlichkeit, dass all dies so eintritt, ist etwa so hoch wie die Chance, dass sich mein Sohn Vance Vigorous, damals acht und trotz seiner acht Jahre in gewisser Hinsicht schon mehr Mann als ich, dass sich Vance irgendwann einmal, und besonders vor dem Hintergrund dieser uramerikanischen Vater- Sohn-Beschäftigung mit Football, den er hoch in den kalten Herbsthimmel schoss und dann direkt in ein Fenster, und sein Lachen darauf, das von den suburbanen Bäumen widerschallte, an denen die roten Blätter hingen wie Closed -Zeichen an einer Ladentür, dass sich dieser heranreifende Vance irgendwann einmal zu einem ... einem Homosexuellen entwickeln würde oder irgendetwas ähnlich Unerhörtem, Abwegigem, absolut Unvorstellbarem.
Okay, jetzt tönen die Himmel vor gemeinem Gekicher. Jetzt, wo mir selber unbestreitbar klar geworden ist, dass ich einen Sohn habe, der dem Ausdruck »Frucht meiner Lenden« völlig neue Bedeutungshorizonte eröffnet, und dass ich hier bin und tue, was ich tue, obwohl es ganz anderes zu tun gibt, wenn ich spüre, dass es irgendwo zieht, und dann an mir herunterblicke und das Loch in meiner Brust entdecke und hineinschaue, in Lenore Beadsmans offene Kunststoffhandtasche mit ihren Aspirin-Tabletten, Hotelseifenstückchen, Lotterielosen und diesen albernen Büchern, die überhaupt nichts bedeuten, die geballte purpurne Faust meines eigenen, ganz persönlichen Herzens, na gut, was ich damit sagen will, ist, dass weder Rex Metalman noch Scarsdale noch die Spinnraupen, dass überhaupt die ganze Vergangenheit nicht mehr existiert, sondern gelöscht wurde, dass beispielsweise auch der Football nie in den kalten Himmel flog, dass meine Unterhaltsschecks in einem schwarzen Nirwana verschwinden, dass der Mensch an einem bestimmten Punkt oder sogar an bestimmten Punkten seines Leben nicht nur wiedergeboren werden kann, sondern auch wiedergeboren wird und werden muss. Okay, damit ist Rex jetzt überfordert, und jedes Mal, wenn er überfordert ist, kaschiert er sein Unbehagen, indem er kurzerhand einen Teil seines Rasens in die Luft jagt. Dann stehe ich da, die Harke in der kalten Hand, und weiß, was ich weiß, während auf mich ein Regen aus Staub, Gras und Spinnraupen niedergeht, und kann über all das nur den Kopf schütteln.
Denn wer ist dieses Mädchen, dem ich gehöre und das ich liebe? Ich mag schon gar nicht mehr fragen, geschweige denn die Frage beantworten, wer sie ist. Vielmehr: Was ist sie? Ein
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