Der Besen im System
schwitzte stark, und Clarice, das sah man, zog sich Alvins Maske nicht unbedingt gern an. Daraufhin nahm Clarice den Teddy und gab Spatula die Alvin-Maske. Schon bald trug jedes Familienmitglied die falsche Maske und drehte sich im Kreis, wodurch Orientierungslosigkeit und Verzweiflung symbolisiert werden sollten, obwohl der Verzweiflungsaspekt nicht ganz so rüberkam, da sich Spatula immer schneller drehte und schließlich anfing zu kichern.
│f│
Lenores Schwester sieht rasend gut aus, wenn man auf den rasend gut aussehenden Typ steht, also eine mit seidigblonden Haaren und granatenmäßigen Brüsten. Dabei hat sie ein ziemliches Mundwerk, kaum Humor, ist meistens eher dröge und darüber hinaus heillos abhängig von (und darüber wiederum unschön ahnungslos) irgendwelchen neusten Trends, aus denen sie sowohl ihr Selbstwertgefühl als auch ihr aktuelles Lebensziel bezieht. Ihr Mann ist eigentlich ein ganz umgänglicher Mensch, obwohl ich ja glaube, dass er Lenore begehrt. Im Ernst, er ist geil auf sie. Und wohl nicht nur auf sie. Dem Vernehmen nach, Vernehmen über Lenore und demnach vage, hatte er mindestens vier Mal im vergangenen Jahr Geschlechtsverkehr mit seinem Zuckerschneckchen vom Empfang. Clarice kam über Sigurd Foamwhistle dahinter, Stonecipher Beadsmans III rechte Hand und vermutlich auch Halbbruder von Lenores jüngerem Bruder. Kurz und gut, ein Mann, über dessen unlautere Absichten bezüglich Clarice und Lenore für mich nicht der geringste Zweifel besteht. Jedenfalls ist Clarice dahintergekommen, und so gab es erst einmal einigen innerehelichen Knatsch. Doch da es dabei nicht bleiben konnte, setzten sich die beiden irgendwann hin und redeten, und heraus kam als Lösung eine Paartherapie. Alvin stimmte begeistert zu, denn er liebte ja beides, seine Frau und seinen Job. Und die Paartherapie wuchs sich zur Familientherapie und was weiß ich nicht alles aus. Da gab es Phasen, in denen wurde viel getöpfert: Jedes Familienmitglied sollte die jeweils anderen seinem persönlichen Verhältnis gemäß gestalten etc. Später prügelte man auch mit Schaumstoffkeulen aufeinander ein. Im Augenblick ist wohl Theaterspielen angesagt, in der Regel vor einem virtuellen Publikum, nur an diesem Abend nicht, wo zumindest ein realer Mensch anwesend ist, der sich dazu denken kann, was er mag. Lenore und Clarice stehen sich nicht sonderlich nahe. Ähnlich wie Monroe und ich nicht. Lenore sagt, sie geht nicht gern zu den Spaniards. Aber wohin geht sie dann?
Schlechter Tag. Der Urintraum hat mich derart verstört, dass nichts richtig läuft. Sozusagen. Lenore fehlt mir. Ihre Abwesenheit löst in mir körperlichen Schmerz aus. Will sagen, der Schmerz ist chronisch. Ich bin viel zu durchgedreht, um ernsthaft darüber nachzudenken, was ihr Vater mit ihr vorhat. Mir scheint aber, je mehr ich in diese Familie integriert bin und je enger meine Beziehung zu Lenore wird, desto eher kommt der Tag, an dem ich sie wahrhaftig und vollständig in mich aufnehmen kann.
Sonst ein böser, böser Tag. Dunkle Vorahnungen von bevorstehenden, großen, noch unbekannten Aufgaben. Ich habe schon Angst, aufs Klo zu gehen.
│g│
Es lag wohl an der allgemeinen Aufregung, dem Drehen auf der Stelle, dem Kichern, aber wahrscheinlich am meisten an dem Drehen, dass es bei Spatula jetzt zu einem kleinen Malheur kam. Das Publikum wurde auf PAUSE gedrückt, und mit Hilfe von Lenore und einer Küchenrolle waren die Spuren schnell beseitigt. Ein erneutes Drücken der Taste PAUSE beendete diese, und es konnte weitergehen.
Stoney: »Desorientierung und Depression stellten sich ein, als die Familienmitglieder versuchten, Glück und In-die-Welt-Entfaltung auf Dingen aufzubauen, die weder mit ihnen noch der Familie zu tun hatten.«
»Individuelle Entfaltung.«
»Individuelle Entfaltung. Deshalb taten sie etwas, das ... das ...«
Clarice trat vor und schob Stonecipher vorsichtig beiseite:
»Deshalb taten sie etwas, das alle klugen Familienmitglieder in dieser Situation tun würden. Sie sprachen miteinander und thematisierten all die Dinge, die ihnen als Menschen Bauchschmerzen bereiteten, wodurch erstmals wieder ein echter Dialog und persönliche Interaktion zustande kamen, wodurch sie alle emotional wachsen konnten, gleichermaßen als Individuen wie als Mitglieder eines emotionalen Netzwerks gemeinsamer Interessen, Werte und emotionaler Zuwendung. Was ihnen den inneren Wachstumsprozess innerhalb des Dialogs sehr erleichterte, war die Tatsache, dass
Weitere Kostenlose Bücher