Der Besen im System
immer als Fremde betrachten. Er ist sogar so unglaublich fertig, dass er nicht einmal zur Beerdigung geht, denn er erkennt und muss schmerzhaft erfahren, dass er die Thermosfrau tatsächlich geliebt hat, tief und innig, dass er eine richtige Beziehung mit ihr hatte, deren abrupte Beendigung ungleich schmerzhafter ist als alle abgewiesenen Beziehungsversuche zuvor, und so versinkt er in seinem Elend, zu dem gleich auch der Rückfall in seine alte Liebesgewohnheit zählt, die jetzt sogar noch schlimmer geworden ist, denn jetzt liebt er mehr oder weniger alles und jeden, also auch Männer, nicht nur Frauen, weswegen man ihn für einen Homosexuellen hält und wofür er in der Firma regelmäßig zusammengeschlagen wird. Er verliert seinen Job und wandert wieder einsam durch die Straßen, wo er sich sogar in Kinder verguckt, was in unserer Gesellschaft verpönt ist. Jedenfalls fällt immer wieder auf, dass er Kinder belästigt, und er verbringt so manche Nacht in der Arrestzelle und ist in einem ziemlich bedenklichen Zustand und verflucht die Liebestherapeutin für deren Rat, nur wohl überlegt eine Beziehung einzugehen.«
»Darf ich mal was fragen?«
»Ja.«
»Warum hat die Thermosfrau den Frosch nicht einfach von ihrem Hals genommen und in eine Kaffeedose gesteckt oder so etwas?«
»Erstens weil Leute wie sie, Leute mit einem Tier, sterben, wenn sie sich von ihrem Tier befreien, das macht es ja so kompliziert. Und zweitens ist dir wohl der tiefere Sinn der Geschichte entgangen?«
»...«
»Auf jeden Fall ist der Mann ganz übel dran mit seinem neu aufgeflammten Liebesproblem plus Verlust seiner Thermosbeziehung, deshalb will er nie wieder eine neue Beziehung eingehen, was in beunruhigender Weise seinem alten Liebesproblem mit all seinen Folgen zuarbeitet, und alles ist einfach nur noch furchtbar. Eine Woche vergeht, und eines Abends im Mai, als er völlig fertig vor Kummer plus den zirka fünfundzwanzig Liebesanfällen und den leidigen Auseinandersetzungen mit der Polizei zu Haus auf dem Teppich liegt, dass er glaubt, wahnsinnig zu werden, da klopft es auf einmal unvorstellbar leise an seiner Wohnungstür.«
»Nicht das noch.«
»Was meinst du mit ›nicht das noch‹?«
»...«
»Er macht also die Tür auf, und vor der Tür steht der kleine, blassgrüne Laubfrosch der Thermosfrau und blinkert ihn mit seinem unteren Augenlid an und zieht den rechten Fuß nach, der ganz platt ist. Offenbar hat er die Sache in der U-Bahn, wenn auch verletzt, überlebt.«
»Wow.«
»Die Geschichte endet dann damit, dass der Mann mit verquollenen Augen und völlig fertig auf den kleinen grünen Laubfrosch starrt, der ganz traurig zurückblinkert und ein paar verhaltene Quaklaute von sich gibt. Da stehen sie dann und schauen sich an, und damit ist die Geschichte zu Ende.«
»Wow.«
»Ich glaube, ich könnte diesmal zwei Kaugummis gebrauchen.«
»...«
»Naja, nichts für die Frequent Review . Aber er bekommt eine persönliche Absage, in der ich ihm mitteile, dass mir die Geschichte trotzdem gut gefallen hat und dass sie ein gewisses Potenzial erkennen lässt, auch wenn er sicher noch daran feilen muss.«
»Glaubst du, sie stammt wieder von einem gestörten Studenten?«
»Sieht mir beinahe so aus, obwohl er in seinem Anschreiben den Eindruck erwecken will, er sei viel älter. Er hat sogar eine Bibliographie beigelegt, aber die ist frei erfunden.«
»Gott.«
»Lenore, ich habe auf einmal ungeheueren Hunger.«
»Kein Problem. Sie haben immer Sandwiches an Bord, ich brauche bloß nach Jennifer zu klingeln.«
»...«
»Na wunderbar, ich dachte schon, hier will niemand etwas.«
»Hallo, Jennifer. Ich glaube, Mr. Vigorous hier hätte gern ein Sandwich.«
»Gern. Und was für ein Sandwich möchten Sie?«
»Was haben Sie denn dabei?«
»Wir haben Schinken und Putenbrust.«
»Ist die Putenbrust mit Mayonnaise?«
»Ich glaube ja, Sir.«
»Miracel Whip oder Heilman’s?«
»Tut mir Leid, Sir, da bin ich überfragt. Lenore, entschuldige.«
»Schon gut, Jennifer. Es ist nur so, bei der Mayo von Heilman’s kriegt Rick immer Halsschmerzen.«
»O Gott, nein, das ist ja furchtbar.«
»Dann besser eines mit Schinken, vorausgesetzt, es ist ohne Mayonnaise. Und da ich davon ausgehe, dass es sich um Roggenbrot handelt, entfernen Sie bitte die Rinde.«
»Gern, Sir.«
»Und, bitte, es ist wirklich eminent wichtig, dass das Sandwich keine Mayonnaise enthält, wohingegen ein Klecks Senf nicht schaden würde. Dazu bitte einen
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