Der bessere Mensch
hat.“
„Ich glaube, ich muss jetzt arbeiten“, meinte Schäfer nun hellwach, „wo ist mein Handy, wo ist dein Netzwerkkabel?“
30.
„Habt ihr schon mehr über diese Anke Gerngross herausgefunden?“, bellte Schäfer in den Hörer. „Und bei wem hat sie die Doktorarbeit geschrieben? … Und wo wohnt sie jetzt? … Wieso wisst ihr das nicht? … Na, dann fragt bei den Deutschen nach … Ja, ist mir schon klar … Den Escortservice? Und den Gärtner? Das ist ein Scherz, oder? … Na von mir aus, wenn er meint … Also irgendwer soll sich jedenfalls an die Gerngross dranhängen … Danke.“
„Wenn du mich das nächste Mal ausreden lässt, kann ich dir vielleicht auch weiterhelfen …“ Sein Bruder stand hinter ihm.
„Das darf nicht wahr sein … den Gärtner! … Der ist fünfundsechzig … weil er irgendwann mit der RAF sympathisiert hat … diese vertrottelten Affen vom Verfassungsschutz … so ein Schwachsinn …“
„Einmal frag ich dich noch: Willst du jetzt mehr über diese Gerngross wissen oder nicht?“
„Natürlich … was glaubst du, warum ich hier herumtelefoniere … mach uns lieber noch einen Kaffee …“
Schäfers Bruder verließ unverständlich vor sich hin fluchend das Arbeitszimmer, während Schäfer den Namen der Frau, die von 1988 bis 1993 in Wien Medizin und Psychologie studiert und bei Doktor Gernot Hofer dissertiert hatte, zuerst durch eine Suchmaschine und dann durch die interne Datenbank laufen ließ. Die Einträge waren spärlich, keine Vorstrafen, keine polizeiliche Meldung, keine aktuelle Adresse. Kovacs hatte ihm gesagt, dass Anke Gerngross Deutsche sei. Eine von diesen Numerus-Clausus-Flüchtlingen, dachte Schäfer, aber warum gibt sich so eine mit einem Schwerverbrecher ab und besucht ihn viermal in der U-Haft? Das Naheliegendste: Da Hofer ihr Doktorvater gewesen war, könnte Kastors Krankheitsgeschichte als Fallbeispiel gedient haben. Und Gerngross, damals bestimmt so eine typische idealistische Helferbraut, kontaktiert Kastor und glaubt, ihn bekehren zu können. Sie lässt sich flachlegen, anlügen, leiht ihm Geld, das übliche Spiel der Psychopathen, er gibt sich geläutert, vergewaltigt und erwürgt nebenbei zwei Frauen, in Haft beteuert er ihr gegenüber seine Unschuld blablabla. Ein paar Wochen nach seiner Verhaftung verlässt sie Wien, zumindest gibt es keinen offiziellen Wohnsitz mehr, dann verschwindet sie aus dem virtuellen Gedächtnis.
„Jakob!“
„Was ist?“ Sein Bruder stand in der Tür, eine Tageszeitung in der Hand.
„Hast du bei Bienenfelds Beerdigung mit dieser Gerngross gesprochen?“
„Ja.“
„Und? Weiter?“
„Willst du vielleicht wissen, wo sie arbeitet? Das wollte ich dir nämlich vorher mitteilen, aber du warst zu beschäftigt, deine Sklaven in Wien anzupöbeln …“
„Wo?“
„In der Neuroklinik in Großgmain.“
„Nicht dein Ernst … wieso haben wir sie dann nicht im Melderegister?“
„Kenn ich mich da aus? Vielleicht weil die Klinik von einer deutschen Kette betrieben wird? … Schönes Bild von dir übrigens in der Zeitung.“ Jakob warf Schäfer den Chronikteil hin und wartete auf dessen Reaktion.
„Ach du Scheiße“, meinte Schäfer, während er den Artikel über seinen Ausraster vom vergangenen Tag las und das Phantombild betrachtete, „der sieht ja aus wie du … großartig … die Türken haben bei der Personenbeschreibung mit uns wahrscheinlich das gleiche Problem wie wir mit den Asiaten … also die nächsten Tage rate ich dir zu Hut und Sonnenbrille …“
„Das heißt, die Möglichkeit einer Selbstanzeige …“
„Vergiss es … dann bin ich endgültig draußen …“
„Was bestimmt ein großer Verlust für die österreichische Kriminalpolizei wäre …“
„Papperlapapp … kannst du mir ein paar Schmerztabletten mitgeben … meine Hand ist …“
„Sicher nicht … deine Medikamenten-Alkohol-Mischversuche unterstütze ich bestimmt nicht … was willst du jetzt überhaupt tun?“
„Großgmain, was sonst?“
„Das machst du nicht.“
„Was soll das heißen?“
„Dass du nicht in diese Klinik fährst und dich aufführst, als wärst du der neue Sheriff in der Stadt … wenn du das machst, rufe ich deinen Vorgesetzten, den Kamp, an und teile ihm mit, wer für den Anschlag auf den türkischen Handy-Shop verantwortlich ist …“
„Das würdest du nie tun.“ Schäfer schlüpfte in sein Jackett und packte den Laptop unter den Arm.
„Doch.“
Schäfer hielt inne und sah seinem Bruder in
Weitere Kostenlose Bücher