Der bessere Mensch
Paares bemerkte, nahm er seinen Ausweis heraus und erklärte ihnen, dass der echte Besitzer seit längerer Zeit krank wäre und der Verdacht bestand, dass Drogenschmuggler die Hütte als Unterschlupf benutzten.
„Drogenschmuggler?“, fragte die Frau verwundert, „aber es gibt doch keine Grenze mehr …“
„Aber den fliegenden Zoll, der hier verstärkt tätig ist … sagen Sie mir bitte, wie der Mann ausgesehen hat …“
„Vielleicht vierzig … dunkle Haare … irgendwie … drahtig …“
„Würden Sie mir freundlicherweise Ihren Namen und eine Telefonnummer dalassen“, meinte Schäfer bestimmt, was die beiden Wanderer richtig interpretierten und ihre Sachen zu packen begannen.
Verdammt, dachte Schäfer, während er dem Pärchen zusah, wie es aus seinem Blickfeld verschwand. Eine halbe Stunde … streng nach Vorschrift müsste er jetzt eine Alarmfahndung veranlassen, oder? Aber auf welcher Grundlage? Ein Pensionistenpaar hatte eine Person aus Bienenfelds Hütte kommen sehen, die vielleicht einem Schwerverbrecher ähnlich sah, einem Phantombild … von dem ein Anrufer angegeben hatte, diese Person am Mönchsberg gesehen zu haben, wie Kamp ihm mitgeteilt hatte. Instinktiv griff Schäfer unter sein Jackett. Bravo, die Waffe lag im Hotel unter der Matratze. Er sah sich um, hier gab es im Umkreis von gut fünfzig Metern keine Möglichkeit, sich zu verstecken. Er nahm den Schlüssel aus der Hosentasche und sperrte die Tür auf.
In der Hütte war es dunkel und stickig. Schäfer suchte vergeblich einen Lichtschalter und öffnete schließlich die beiden Fensterläden, um sich zurechtzufinden. Keine Lampe, keine Steckdose, kein elektrisches Gerät – offensichtlich war Bienenfeld dort oben ohne Strom ausgekommen. Der erste Raum, der höchstens zehn Quadratmeter maß, diente offensichtlich als Küche und Aufenthaltsraum. Schäfer öffnete die Anrichte, durchsuchte alle Schubladen und Regale. Zwei Tuben Kondensmilch, Konservendosen, Zucker, Kaffee, Kerzen, eine Taschenlampe, ein paar alte Illustrierte, auf dem Titel der obersten das Bild eines zerbombten Hotels, Zündhölzer, ein Kartenspiel … diese Dinge gehörten der Hütte und nicht Bienenfeld. Auf der fensterlosen Seite des Raums war eine Holztür. Schäfer öffnete sie und stand in einer kleinen Kammer, die nur einem Stockbett Platz bot. Er ging zurück in die Küche, holte die Taschenlampe und leuchtete die Kammer aus. An einem der Bodenbretter war ein Messinggriff befestigt, er bückte sich und zog daran. Eine Falltür, unter der wohl ein Vorratsraum eingerichtet war, eine Holztreppe, er hielt die Taschenlampe hinein und sah, dass der Abstieg nur aus drei Brettern bestand und der Boden eineinhalb Meter unter ihm war. Schäfer stieg hinab, bückte sich unter die Bodenbretter und sah sich um. Wiederum Konserven, Kohlebriketts, zwei leere Kanister, eine rostige Axt, zwei feste Kartonschachteln. Er zog sie heraus, drehte sich vorsichtig herum, um sich nicht den Kopf anzustoßen, und hievte sie auf den Boden der Schlafkammer. Er stieg aus dem Loch, schloss die Luke und nahm die beiden Schachteln mit in die Küche. Im Gegensatz zum übrigen Inventar lag auf den Deckeln kein Staub; sie mussten entweder kürzlich geöffnet oder überhaupt erst heraufgebracht worden sein. Schäfer öffnete die Schachteln und sah mehrere A4-große, in schwarzen Karton gebundene Bücher. Er schlug das oberste auf und sah Aufzeichnungen in einer sehr feinen und sauberen Handschrift – Zierschrift hätte seine Volksschullehrerin das wohl genannt. Das sieht einem Arzt gar nicht ähnlich, dachte Schäfer und blätterte das Buch durch, das zu seinem Bedauern auf Englisch verfasst war. Doch an den fortlaufenden Datumsangaben und zahlreichen Abkürzungen glaubte er zu erkennen, dass es sich um ein tagebuchartiges Protokoll einer wissenschaftlichen Arbeit handelte. Warum sollte Bienenfeld diese bestimmt wertvollen Dinge hier heroben gelagert haben? Ein Blitzschlag und das Ganze ginge in Flammen auf. Hatte er Angst gehabt, dass sie ihm entwendet werden könnten? Von wem denn?
Schäfer nahm die anderen Bücher aus den Kisten und überflog sie in der einzigen Hoffnung, auf irgendeinen bekannten Namen zu stoßen. Natürlich nicht, was hatte er denn geglaubt. Er sah sich nach einem Sack oder einer Tasche um, worin er die Bücher transportieren konnte, und nahm schließlich den Überzug eines Sitzpolsters, der auf der Eckbank lag. Dann sperrte er die Tür hinter sich ab und setzte sich auf
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