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Der bessere Mensch

Der bessere Mensch

Titel: Der bessere Mensch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: G Haderer
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unterkam. Er brachte sein Anliegen vor, wurde abermals an den Empfang verwiesen und wiederholte seine Tour. Die achte Frau, die er ansprach, nahm sich mehr Zeit für ihn.
    „Wissen Sie denn, wie sie ausgesehen hat?“
    „Sie war hübsch … also mehr von innen heraus … ein guter Mensch, sehr hilfsbereit … damals hat sie sich auch um einen jungen Mann gekümmert, im Gefängnis …“
    „Und wie alt sie ist, wissen Sie auch nicht?“
    „Etwa in meinem Alter …“
    „Also an Ihrer Stelle würde ich zum Direktionssekretariat gehen … auf Pavillon 6 … die Frau Heim, die kennt eigentlich jeden …“
    „Danke, vielen Dank“, Schäfer holte seinen Notizblock heraus, „darf ich Ihnen meine Nummer geben, falls Ihnen noch etwas einfällt? Ich logiere vorübergehend in Salzburg und bin rund um die Uhr erreichbar.“
    „Na, da hat Sie’s ja ganz schön erwischt damals?“ Sie nahm den Zettel mit der Nummer entgegen und lächelte ihn an. „Also, Entschuldigung, im Sinne von … im Herzen, meine ich …“
    „Ja, kann man wohl sagen … vielen Dank … auf Wiedersehen!“
    Schäfer wandte sich um und atmete im Weitergehen tief durch. Was für eine dämliche Posse, die er hier riss. Der Mann mit lädiertem Gedächtnis und gebrochenem Herzen auf der Suche nach seiner unvergesslichen Liebe. Aber noch wollte er nicht aufgeben. Irgendwo in diesem undurchsichtigen Netzwerk musste es jemanden geben, der Bescheid wusste. Hier trafen sich die Nervenenden, da war er sich sicher. Vor dem Pavillon 6 blieb er stehen und überlegte, wie weit er sich hinauslehnen sollte. Den Dienstausweis zeigen? Gleich jetzt schon Feuer an die Lunte legen? Er betrat den Pavillon, besah sich den Wegweiser und ging in den ersten Stock.
    „Es ist etwas kompliziert … ich suche einen Mann, also eigentlich suche ich eine Frau, die ich vor zehn Jahren hier kennengelernt habe … im Zuge meiner Rekonvaleszenz, ich hatte einen schweren Autounfall … und diese Ärztin, womöglich war sie auch Pflegerin, ich kann mich tatsächlich nicht mehr erinnern … Sonja, glaube ich, hieß sie … oder Tanja?“
    „Entschuldigen Sie bitte, Herr …“
    „Müller … Hektor Maria Müller …“
    „Herr Müller … aber ich bezweifle, dass ich Ihnen ohne einen genauen Namen weiterhelfen kann …“
    „Das ist schade … sie war so eine gute Frau … ein deutscher Name war es … Ute, Anke …“
    „Anke? Die Frau Merz vielleicht … also jetzt nennt sie sich ja wieder Gerngross …“
    „Gerngross … ja, das könnte es sein … also war sie verheiratet?“
    „Ja, aber erinnern Sie sie nicht daran, wenn Sie sie treffen“, die Frau lachte bitter, „kein gutes Thema bei ihr … und warum genau suchen Sie sie jetzt?“
    „Also, ich will ehrlich sein: Ich habe vor ein paar Tagen in der Zeitung das Bild eines Mannes gesehen … so ein Phantombild, das die Polizei macht, ja … und ich denke mir: Mein Gott, den kenne ich, das ist doch der … und da ist mir der Name nicht mehr eingefallen … dabei waren wir zusammen in der Reha … und Frau Gerngross, ja, die weiß das bestimmt noch … und ich wollte sie deswegen fragen … weil ich mir ja nicht sicher bin … ich will ja auch nicht zur Polizei gehen, ohne vorher mit ihr gesprochen zu haben …“
    „Also heute kommt sie ziemlich sicher nicht mehr“, die Frau war offensichtlich genervt von Schäfers krudem Gefasel, „aber ich kann ihr gerne eine Nachricht hinterlassen.“
    „Ja … ich lasse Ihnen meine Adresse und meine Telefonnummer hier“, sagte er und zog umständlich seinen Notizblock aus dem Jackett. „Ich wohne in der Pension Bergblick … kein sehr nobles Etablissement, wie ich eingestehen muss, aber in der Festspielzeit, Sie wissen ja …“
    „Ja, ich denke es mir“, meinte sie und nahm den Zettel entgegen.
    Schäfer ging auf den Parkplatz und rief ein Taxi. Wellenartig überkam ihn eine kindische Heiterkeit. Was für ein Schauspiel, dachte er und lachte laut heraus, allein das schon war es wert gewesen.
    „Warum machst du so was?“, ereiferte sich sein Bruder, während Schäfer auf dem Terrassentisch Bienenfelds Notizbücher ausbreitete.
    „Reg dich nicht so auf … ich war eh inkognito dort, quasi inoffiziell … lustig war es außerdem …“
    „Ach ja, wie wir’s gerade brauchen … heute bin ich böse, morgen gut, übermorgen lustig, nächste Woche traurig … für so was wie dich hat wahrscheinlich nicht einmal Doktor Hofer einen psychiatrischen Begriff“, erwiderte sein

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