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Der bessere Mensch

Der bessere Mensch

Titel: Der bessere Mensch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: G Haderer
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sich selbst und anderen Gefühle vorzumachen … er kann sich konfliktfrei für einen guten Menschen halten, während er einen anderen tötet … asoziales Verhalten ohne ein vordergründig erkennbares Motiv, egozentrisch und von den eigenen Ideen überzeugt bis zur Wahnvorstellung, unfähig, die Folgen einer Tat abzuschätzen … oft auch angstfrei … deshalb auch sehr risikobereit und in seinen Reaktionen schwer einzuschätzen …“
    „Sie sprechen von unserem Innenminister …“
    „Den kenne ich zu wenig“, fuhr der Psychiater fort, ohne auf Schäfers Scherz zu reagieren, „aber es ist durchaus nicht ungewöhnlich, Menschen mit Psychopathie in hohen politischen oder wirtschaftlichen Positionen anzutreffen. Dass ein Psychopath zwangsläufig zum Verbrecher wird oder jeder Mörder ein Psychopath ist, ist schlicht falsch …“
    „Wie wird man so?“
    „Da scheiden sich die Geister … genetische Disposition, Erziehung, Umwelteinflüsse, Traumata in der frühen Kindheit, Gehirnverletzungen oder Abweichungen im Gehirnstoffwechsel … meistens kommen wohl mehrere Ursachen zusammen …“
    „Könnte unser Täter bis vor Kurzem ein ganz gewöhnliches Leben geführt haben und irgendein Zwischenfall trifft ihn so hart, dass er zum Mörder wird?“
    „Möglich, aber unwahrscheinlich … soweit ich das beurteilen kann, handelt es sich bei dieser Tat nicht um die Folge eines psychotischen Anfalls, dafür ist sie zu gewissenhaft geplant, dazu sind Schizoide selten fähig … das Schwierige ist wohl, dass Sie einen kranken Menschen suchen, dessen Krankheit außerhalb seiner Verbrechen gar nicht auffallen muss …“
    „Haben Sie schon des Öfteren mit solchen Menschen zu tun gehabt?“
    „Gewiss … wobei das auch eine Frage der persönlichen Einschätzung ist … ich kann ja ein dementsprechendes Gutachten nicht auf Basis eines Bluttests verfassen … und eine Psychopathie bedingt ja nicht automatisch Unzurechnungsfähigkeit … wie gesagt: Es laufen viele herum, die es anders ausleben als durch physische Gewalt …“
    „Die Frage bleibt dennoch, wie wir ihn finden …“, meinte Schäfer mehr zu sich selbst als zu seinem Gesprächspartner.
    „Da müssen Sie wohl auf Ihre eigenen Methoden vertrauen“, antwortete der Psychiater, stand auf und reichte Schäfer die Hand, um ihn zu verabschieden.

10.
    Der Anruf kam um 13:32 Uhr. Ein Beamter der Polizeiinspektion Ottakring teilte ihnen mit, dass ein türkischer Junge seine Schwester tot in ihrer Wohnung aufgefunden hatte. Erstochen mit einem Küchenmesser, wie der Inspektor präzisierte. Schäfer informierte die Spurensicherung und den Gerichtsmediziner und lief mit Bergmann in die Tiefgarage. Während der Fahrt presste er seine Fäuste auf die Oberschenkel, um das Zittern unter Kontrolle zu bekommen, das ihn nach dem Telefonat befallen hatte. Ob alles in Ordnung sei, wollte Bergmann von ihm wissen und bog vom Gürtel in die Thaliastraße ab. Sicher, erwiderte Schäfer, nahm sein Telefon und rief eine Dolmetscherin an, die er zum Tatort bat.
    Im Hausgang sowie im Eingangsbereich der Wohnung standen zahlreiche Leute, die entweder lauthals schluchzten oder aufgeregt diskutierten. Schäfer befahl dem uniformierten Polizisten, alle Nichtfamilienmitglieder in eine Nachbarwohnung zu schaffen. Außerdem bräuchte er einen Beamten, der die Haustür bewachte. Niemand dürfe hinaus; wer hinein wolle: Personalien aufnehmen und bei verdächtigem Verhalten vorübergehend festnehmen.
    Schäfer ging bis an die Schwelle des Zimmers, in dem das tote Mädchen lag. Nur mit Jeans und einem BH bekleidet, ein Küchenmesser in der Brust. Er schluckte; wollte hineingehen und das Mädchen zudecken, damit dieses schreckliche Bild verschwand. Er stand immer noch im Türrahmen, als ein Beamter der Spurensicherung hinter ihn trat und sich an ihm vorbei ins Zimmer drängte.
    Schäfer ging mit gesenktem Blick ins Wohnzimmer, wo sich Bergmann mit dem Bruder der Ermordeten aufhielt. Der Junge, bestimmt nicht älter als zwölf Jahre alt und zwei Köpfe kleiner als seine Schwester, stand sichtlich unter Schock. Bergmann hielt seine Hand, ohne mit ihm zu reden.
    „Wo sind deine Eltern?“, wollte Schäfer wissen.
    „Meine Mutter ist im Krankenhaus … wo mein Vater ist, weiß ich nicht.“
    „Aber er wohnt hier, oder?“
    „Ja …“
    „War er heute schon hier?“
    „Ja …“
    „Hat sonst noch wer einen Schlüssel für die Wohnung?“
    „Nein …“
    „Wo ist dein Vater normalerweise, wenn

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