Der bessere Mensch
oben … aber die konnten dazu überhaupt nichts sagen …“
„Was ist mit dem Sohn?“
„Den hat seine Tante zu sich genommen …“
„Irgendein Hinweis, dass er seine Kinder geschlagen hat?“
„Bis jetzt noch nicht … wie gesagt: Koller muss das Mädchen noch obduzieren …“
„Ich hasse diesen Fall … ich hasse diesen Menschen … können wir das Schwein nicht in einem Park an einen Baum binden und ihm ‚böse‘ auf die Stirn schreiben … vielleicht ist sein Hirn dann morgen in Phosphorsäure aufgelöst …“
„Sie sollten nach Hause gehen … Sie muten sich zu viel zu … mit den Medikamenten und …“
„Was soll das heißen?“
„Dass das nicht so ohne ist … diese Behandlung und dazu der dauernde Stress … ich habe im Internet einen Artikel über einen Mann gelesen, der sechs Wochen dasselbe Medikament genommen hat wie Sie … davor war er ein vorbildlicher Familienvater, dann hat er seine Schwiegermutter mit einer Axt erschlagen …“
„Haben Sie seine Schwiegermutter gekannt?“
„Sie sollten das nicht ins Lächerliche ziehen … der Mann ist übrigens wegen Unzurechnungsfähigkeit freigesprochen worden … und die Pharmafirma musste ein paar Millionen Dollar zahlen …“
„Das heißt, wenn ich durchdrehe, könnte ich vielleicht sogar damit davonkommen?“
„Ich denke dabei nicht so sehr an Sie …“, erwiderte Bergmann.
„Und warum recherchieren Sie dann so etwas …?“
„Vielleicht weil ich nicht selbst mit einer Axt erschlagen werden will …“
„Jetzt übertreiben Sie nicht, Bergmann“, Schäfer gähnte und stand auf, „zur Not erschießen Sie mich einfach.“
„Ich glaube, das brächte ich nicht fertig …“
„Gute Nacht, treuer Kollege … bleiben Sie nicht zu lange.“
„Ich schreibe noch den Bericht … gute Nacht.“
Obwohl sein Wohnhaus über einen Lift verfügte, schleppte sich Schäfer die Stiegen hinauf. Vor der Wohnungstür blieb er stehen, nahm den Schlüssel aus der Hosentasche und steckte ihn ins Schloss. Dann zog er ihn wieder heraus, ging zu Wedekinds Tür und läutete.
Als dieser öffnete und ihn freundlich empfing, senkte Schäfer den Blick, um seine Tränen zu verbergen. Wedekind nahm ihn für einen Moment unbeholfen in die Arme und schob ihn dann in seine Wohnung.
„Keine Sorge, Herr Major … das kriegen wir schon wieder hin.“
11.
Noch vor der Morgenbesprechung zitierte Kamp ihn zu sich. Die Falten, in die der Oberst seine Stirn legte, machten Schäfer klar, dass er nicht zu einer freundschaftlichen Plauderei geladen war.
„Was war das gestern?“
„Ich weiß nicht, was Sie meinen …“
Kamp stand auf, kam hinter seinem Schreibtisch hervor und stellte sich mit dem Rücken zu Schäfer ans Fenster.
„Haben Sie Ihren Verstand verloren?“, herrschte er die Scheibe an und drehte sich ruckartig um. „Sechs Beschwerden von Gastwirten, deren Lokale von der Wega gestürmt worden sind … mit einem Sachschaden, der uns bei solchen Einsätzen nicht passieren darf … Werft ein paar Tische um! … Haben Sie das dem Einsatzleiter allen Ernstes aufgetragen? … Um einen Mann zu verhaften, der dort mit seinen Freunden Karten spielt, und ihm dann auch gleich noch einen Zahn auszuschlagen und die Nase zu brechen … kein Tatverdacht! … Und jetzt schauen Sie sich das da an!“
Kamp warf Schäfer eine Tageszeitung in den Schoß, auf deren Titelbild der Vater des ermordeten Mädchens von vier vermummten Polizisten aus einem Lokal gezerrt wurde, das Hemd voller Blut, um ihn herum wild gestikulierende Passanten. Und? Hätte er selbst hineingehen und sich abstechen lassen sollen? Was regte sich der Oberst so auf wegen ein paar kaputten Gläsern?
„Das scheint Sie überhaupt nicht zu berühren, oder, Schäfer?“
„Der Mann hat …“
„Was hat er? Eine tote Tochter, ja … aber er ist nicht vorbestraft, er hat die österreichische Staatsbürgerschaft, er arbeitet seit über zwanzig Jahren hier … es gibt keinen einzigen Zeugen, der die Tat beobachtet hat … der Mann ist bis zum Beweis des Gegenteils ein unbescholtener Bürger, und so haben Sie ihn auch zu behandeln … was zum Teufel ist da in Sie gefahren?“
„Nach Besichtigung des Tatorts war ich der Meinung, dass der Vater als Einziger für die Tat in Frage kommt …“
„Ach ja, der Tatort … wo Sie einen Wandspiegel zertrümmert haben … wo Sie zwanzig Personen in einer Wohnung festhalten ließen, bis Ihr Kollege Bergmann so umsichtig war, diese gehen zu lassen
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