Der bessere Mensch
nicht Born, Schröck, mein beschissener Chef, mein untreuer Ehemann … etwas Böses … vielleicht ist die Person zweitrangig … oder völlig beliebig …“
„Sie glauben, ein Verrückter gibt bei Google ‚böse‘ und ‚Wien‘ ein und macht sich dann daran, die Ergebnisliste abzuarbeiten?“
„Eigentlich sind Sie ziemlich intelligent, Bergmann …“
„Danke … was jetzt? Den nächsten Briefeschreiber?“
„Nein, das nächste Internetcafé …“
Warum sich Schäfer wie immer neben ihn setzte und ihm auftrug, was er in die Suchmaschine eingeben sollte, anstatt es selbst zu tun, war Bergmann ein Rätsel. Vielleicht hatten sie es irgendwann einmal zufällig so gemacht und der Gewohnheit wegen beibehalten. Oder Schäfer wollte sich im Falle der Ergebnislosigkeit der Verantwortung entziehen.
„Also, was suchen wir?“
„Geben Sie ‚Hermann Born‘ und ‚böse‘ ein …“
Nachdem Bergmann auf die Enter-Taste gedrückt hatte, erschienen auf den ersten drei Seiten ein paar Sachbücher, ein Autohaus, Filmkritiken sowie zahlreiche Blogeinträge. Auf Seite vier wurden sie fündig: Ein deutsches Nachrichtenmagazin hatte 1997 einen Artikel über Born mit dem Titel „Der böse Österreicher“ verfasst. Schäfer ließ Bergmann auf den Link klicken, überflog den Bericht und notierte sich die Adresse der Seite. Danach wiederholten sie den Vorgang mit „Erwin Schröck“. Hier tauchte schon auf der zweiten Seite ein Essay eines Globalisierungskritikers über „Die Bösen der Börse“ auf – und Schröck war ein ganzer Absatz gewidmet. Schäfers Begeisterung über diese Ergebnisse wurde allerdings schnell gedämpft, als Bergmann ungefragt „Johannes Schäfer“ und „böse“ eingab und bald eine vier Jahre alte Reportage fand, in der es um die zweifelhaften Methoden bei einer Mordermittlung ging.
„Diese Ärsche“, ereiferte sich Schäfer, während er den Artikel las, „was hätte ich denn machen sollen bei dem Bollwerk an Anwälten, das dieses Schwein aufgestellt hat …“
„Mich müssen Sie nicht überzeugen … ich wollte Ihnen nur zeigen, dass man mit so einer Suchmaschine so gut wie jeden mit allem in Verbindung bringen kann … deswegen heißt es wohl auch Internet …“
„Schlaumeier … los, besuchen wir den nächsten Schreiberling.“
Um fünf kamen sie ins Kommissariat zurück. Neben Buttenhauser hatten sie nur einen weiteren der Briefeschreiber zu Hause angetroffen. Hunde, die bellen, beißen nicht, war Schäfer nach ein paar Minuten in der Wohnung des Mannes eingefallen. Ein verwirrter Querulant, der sich mit der Anfeindung von allen möglichen Personen über die Jahre eine solide Paranoia angezüchtet hatte. Überall lauerten Feinde: die Katze des Nachbarn, der Briefträger und natürlich die CIA . Und um sein Alibi zu überprüfen, reichte es, ein paar Nachbarn zu befragen, die den Mann zur fraglichen Zeit bei seinen Observationsrunden im Haus und im Hof gesehen hatten.
Bergmann überzeugte Schäfer, die Sache mit der Suchmaschine noch nicht zum offiziellen Gegenstand der Ermittlungen zu machen. Schließlich war jeder Mord böse und fast jeder Mensch nach Ansicht irgendeines anderen auch. Dem musste Schäfer widerwillig zustimmen. Da ihm das Thema jedoch keine Ruhe ließ, rief er den Gerichtspsychiater an und konnte ihn dazu bewegen, ihm noch am gleichen Abend für eine Stunde zur Verfügung zu stehen. Aber wirklich nicht länger, er habe ab acht Uhr Gäste und die könne er unmöglich vertrösten.
Um sieben verließ Schäfer das Büro und fuhr mit der Straßenbahn in den fünfzehnten Bezirk, wo der Psychiater seine Praxis und zugleich seine Wohnung hatte. Dauernd diesen Wahnsinn im Haus zu haben, dachte Schäfer, als er anläutete, wie schaffte man es da, nicht selbst wahnsinnig werden.
„Wenn wir die bisherigen Erkenntnisse nehmen und davon ausgehen, dass der Mörder auch Schröck töten wollte: Dann haben wir eine kräftige Person, höchstwahrscheinlich einen Mann, intelligent, kontrolliert, brutal und gleichzeitig … na ja: gnädig wäre übertrieben, aber er hat Born nicht mit der Säure gefoltert, sondern sie nach unseren letzten Erkenntnissen benutzt, um sein Gehirn zu zerstören …“
„Sie haben es sehr wahrscheinlich mit einem Psychopathen zu tun …“
„Ja, das weiß ich auch …“
„Nicht in dem Sinn, wie es umgangssprachlich gebraucht wird. Mit einem Menschen, auf den das klinische Bild der Psychopathie zutrifft: affektarm, aber dennoch fähig,
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