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Der bessere Mensch

Der bessere Mensch

Titel: Der bessere Mensch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: G Haderer
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Wohnzimmer. Überraschung: Am nächsten Abend würde sie nach Wien kommen. Schäfer ging das Herz auf. Was ihr lieber wäre: Wenn er sie am Flughafen abholte oder wenn er für sie beide kochte und zu Hause auf sie wartete. Kochen, entschied sie; und er sollte auf keinen Fall mehr anhaben als jetzt gerade. Versprochen, meinte Schäfer und nieste. Es sei denn, ich habe mir eine Erkältung geholt und liege das ganze Wochenende flach, ärgerte er sich über sich selbst, während er sich fröstelnd unter die Dusche stellte.
    Er lag schon erschöpft auf der Couch und blätterte ein Werbeprospekt durch, als sich Kovacs bei ihm meldete. Sie entschuldigte sich für den späten Anruf – keine Ursache, erwiderte Schäfer, der an ihrer aufgeregten Stimme hörte, dass es sich um etwas Wichtiges handelte.
    „Ich habe die Liste der Fahrer überprüft, die für dieselbe Transportfirma unterwegs waren wie Schöps … und jetzt passen Sie auf …“
    „Ja, ich passe auf“, erwiderte Schäfer schmunzelnd.
    „Also: Schöps ist mit dem LKW , in dem er erschossen worden ist, erst seit gut einem Jahr unterwegs … davor hat ihn ein Günther Stangl gefahren … und gegen den hat es vor zwei Jahren eine Anzeige wegen brutaler Vergewaltigung gegeben …“
    „Und jetzt sitzt er?“
    „Nein, eben nicht … für eine Verurteilung war die Aussage des Opfers zu widersprüchlich und es hat keine eindeutigen Beweise gegeben … sie haben ihn laufen lassen müssen …“
    „Haben Sie die Frau ausfindig gemacht, die ihn angezeigt hat?“
    „Genau deshalb rufe ich an: Sie hat sich vor vier Wochen vor den Zug gelegt …“
    „Scheiße“, murmelte Schäfer und setzte sich auf.
    „Ja“, stimmte Kovacs zu.
    „Ich weiß, worauf Sie hinauswollen … ein Freund oder Verwandter der Frau wollte sie rächen, hat sich schlecht informiert und statt dem Vergewaltiger Stangl den unschuldigen Schöps erschossen … aber bevor Sie jetzt mit gezogenem Colt losgaloppieren, gehen Sie das alles noch einmal Punkt für Punkt durch. Finden Sie heraus, wie glaubwürdig die Anzeige war, ob die Frau in psychologischer Behandlung gewesen ist, in welchem Zustand sie vor diesem Vorfall war …“
    „Vorfall …“, meinte Kovacs verächtlich.
    „Kovacs!“, erwiderte Schäfer scharf. „Weder Sie noch ich kennen diesbezüglich die Wahrheit … auch wenn ein Selbstmord als Folge eines traumatischen Ereignisses wie einer Vergewaltigung in Frage kommt, muss das nicht auch hier so sein … schlafen Sie drüber, und morgen denken Sie noch einmal darüber nach … wenn Sie sich in so einem emotionalen Zustand in diese Sache verbeißen, kommen Sie leicht ins Schleudern … dann machen Sie Fehler und – wenn Sie recht haben sollten – ist uns dann womöglich nicht nur ein Vergewaltiger, sondern auch ein Mörder durch die Lappen gegangen …“
    „Zumindest die Familie könnte ich …“
    „Nichts machen Sie! … Sie können alle Daten zusammentragen, wenn Sie unbedingt unbezahlte Überstunden machen wollen … aber befragt wird niemand. Schöps wurde erschossen, wenn ich Sie erinnern darf … allein gehen Sie in diesem Fall ab jetzt nirgends mehr hin. Und das ist kein Ratschlag.“
    „Gute Nacht“, meinte Kovacs nach einer Schweigepause.
    „Ebenfalls.“

16.
    Bergmann würde ihn verarschen, das war klar. Unter gewöhnlichen Umständen, wenn nicht der Besuch seiner Freundin bevorstünde und er sich bis dahin schonen wollte, wäre Schäfer ohnehin zur Arbeit gegangen; Halsweh, Gliederschmerzen, leichtes Fieber, Erschöpfung – wenn er und seine Kollegen diese Symptome jedes Mal zum Anlass nahmen, um sich krankzuschreiben, wären die meisten Kommissariate unbesetzt. Ihre Toten wurden schließlich oft genug im Freien gefunden und nahmen keine Rücksicht auf Wetter, Jahreszeit oder die Nachtruhe der Beamten. Zudem die psychische Belastung. Hielt das Immunsystem dem allem ausnahmsweise einmal ein paar Monate stand, konnte man sicher sein, dass es am ersten Urlaubstag zusammenbrach. Sollten sich die, von denen sie regelmäßig kritisiert wurden, doch einmal ihre ärztlichen Befunde, ihre Beziehungen und ihren Gesundheitszustand im Pensionsalter ansehen. Jeder andere würde Millionen an Schmerzensgeld kassieren.
    So: Schäfer hatte sich genügend Rechtfertigungen geschaffen, um ohne schlechtes Gewissen Bergmann anrufen und ihm mitteilen zu können, dass er sich verkühlt habe und daheimbliebe.
    „Ist auch besser so“, meinte Bergmann, „Isabelle ist es sicher lieber,

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