Der bessere Mensch
vermutlichen Täter lieferte. Dieser wäre bestimmt Soldat oder hätte eine Kampfausbildung erhalten, hatte der Kroate gemeint. So schnell, wie er ihn überwältigt habe, der ebenfalls schon als Bodyguard gearbeitet habe, ginge das nicht ohne ein entsprechendes Training.
„Ein Soldat mit böhmischem Akzent“, grübelte Schäfer.
„Den kann er aber auch imitiert haben“, warf Kovacs ein.
„Sicher … glaube ich aber nicht … er hätte ja gar nichts sagen müssen … und so wie Frau Müller ihn beschrieben hat, ging es ihm tatsächlich darum, sie zu beruhigen, und nicht darum, dass er uns eine falsche Spur legt.“
„Wenn das stimmt, bleibt uns von den Haftentlassenen nur mehr der Zielinski“, meinte Bergmann, „die beiden anderen haben einen Wiener Dialekt, den sie höchstens für ‚Überfall, Geld her‘ verstellen können.“
„Egal … wir vernehmen sie trotzdem … vielleicht haben sie ja einen Tipp für uns …“
„Vor allem der Wolkinger wird gut auf Sie zu sprechen sein“, grinste Schreyer.
„Ach … das gehört zum Spiel“, erwiderte Schäfer, dem Wolkinger acht Jahre Haft verdankte.
Leitner und Kovacs wurden schließlich damit beauftragt, die restlichen Callgirls zu vernehmen, die Born in den letzten Jahren zu sich bestellt hatte. Strasser sollte sich weiterhin den komplizierten wirtschaftlichen Verflechtungen von Born und Schröck widmen. Und Schreyer … ja, der würde der Gruppe für die kommenden Tage nicht zur Verfügung stehen. Bruckner war eine Serie von brutalen Raubüberfällen zugeteilt worden und hatte darum gebeten, ihm Schreyer für Recherchearbeiten zur Verfügung zu stellen.
Nach dem Mittagessen machten sich Schäfer und Bergmann auf den Weg nach Mistelbach im Norden von Wien. Wolkinger war dort bei seinen Eltern gemeldet. Sie hatten ihn angerufen und ihm erklärt, dass sie ein paar Auskünfte bräuchten. Jaja, hatte er erwidert, was bliebe ihm denn übrig, er wäre ja schon dankbar, dass sie ihn besuchten und er nicht in diese verfluchte Stadt müsse.
„Hat er wirklich verfluchte Stadt gesagt?“, fragte Schäfer im Auto.
„Ja.“
„Da sollte er sich eher fragen, ob der Fluch nicht auf ihm liegt …“
„Haben Sie den Wolkinger schon einmal erlebt, wie er sich selbst für etwas verantwortlich gezeigt hat?“
„Nein … aber ein Fluch wäre ohnehin etwas, das ihm aufgebürdet worden ist … die böse Fee über der Wiege oder was in der Richtung …“
Wolkingers Eltern bewohnten einen alten Vierkanthof etwas außerhalb des Dorfes. Sie waren Gemüsebauern und Schweinezüchter, kurz vor der Rente, und hatten die Hoffnung, dass ihr einziger Sohn den elterlichen Hof weiterführte, wohl schon aufgegeben. Zumindest deutete Schäfer die mürrische Geste, mit der Wolkingers Vater ihnen den Weg zur Unterkunft seines Sohnes zeigte, dahingehend. Dieser lag vor einem Gartenhäuschen in einem Liegestuhl, trank Tee und las in einem Heilkräuterlexikon. Neben ihm ein staubiger Mischlingshund, über dem ein Fliegenschwarm summte wie eine animalische Trockenhaube. Flap, flap, flap, schlug der Schwanz einen schlaffen Takt – das einzige Zeichen, dass das Tier noch am Leben war.
„Das hast du jetzt aber für uns herausgeholt“, meinte Schäfer und deutete auf das Buch, „oder gehst du in den alternativen Drogenhandel?“
„Nichts mehr mit Drogen, Major … Biokräuter, Tees, Aloe Vera, das ist die Zukunft … da stelle ich den Hof um, sobald die Alten weg sind …“
„Und was sagen die Alten dazu?“
„Nichts … die haben da nicht die nötige Weitsicht …“
„Aber du, Karl.“ Schäfer klopfte ihm auf die Schulter und setzte sich gemeinsam mit Bergmann auf eine Holzbank an der Hütte, worauf Wolkinger umständlich aufstand und seinen Liegestuhl zu ihnen drehte.
„Sicher … die Stadt, die hat mich kaputt gemacht … die zerstört die wahren Werte …“
„Du hast deine erste Bank im Nachbardorf gemacht, wenn ich dich erinnern darf …“
„Ja, aber nur weil mich der Krautinger angestiftet hat … und der hat damals schon in Wien gelebt …“
„Verstehe … also können wir davon ausgehen, dass du in den letzten Wochen immer da warst und dich auf die Kräuterprüfung vorbereitet hast …“
„Sicher … kannst die Alten fragen … warum?“
„Hermann Born … Fernseher hast du ja noch einen, oder?“
„Was soll ich mit dem zu tun haben?“, fragte Wolkinger plötzlich feindselig.
„Gar nichts, weil du ja ein Alibi hast, das wir überprüfen …
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