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Der bessere Mensch

Der bessere Mensch

Titel: Der bessere Mensch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: G Haderer
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Wiens härteste Polizeitruppe und lassen uns von unseren Frauen anschaffen, wie wir den Griller anzünden, was, Schäfer? Ein Gläschen Blaufränkischen?“
    „Ähm“, bemühte sich Schäfer, locker zu werden, „ein Weißer wäre mir lieber …“
    „Seit wann denn das?“
    „Der Rote erinnert mich immer an die Zeit, in der ich mehr getrunken habe, als gut war … und beim Weißen habe ich noch kein schlechtes Gewissen.“
    „Sehr gut, sehr gut“, lachte Kamp, der dem Blaufränkischen offensichtlich schon ganz gut zugesprochen hatte, „gehen Sie in die Küche und lassen Sie sich von Heidemarie ein Glas geben … die freut sich bestimmt, Sie zu sehen …“
    Schäfer blieb noch einen Moment unschlüssig im Garten stehen, dann betrat er durch die Terrassentür das Wohnzimmer und folgte den Geräuschen, die ihn in die Küche führten.
    „Johannes!“, begrüßte ihn Frau Kamp, die von ihrem ersten Treffen an darauf bestanden hatte, dass sie sich duzten, „schöner Anzug, wo soll’s denn heute noch hingehen?“
    „Eigentlich nur hierher … ich hoffe, du hältst es nicht für übertrieben …“
    „Im Gegenteil … steht dir ausgezeichnet … wie geht es dir, was willst du trinken?“
    „Gut, danke … einen Weißen, wenn du hast …“
    Nachdem Kamp kurz nach neun die Glut endlich so weit gebracht hatte, dass sie den Fisch auflegen konnten, setzten sie sich gemeinsam an den Tisch und stießen an. Frau Kamp hatte dafür gesorgt, dass Schäfer bereits sein drittes Glas trank, entsprechend entspannt fühlte er sich.
    „Ihr habt viel um die Ohren im Moment“, meinte sie und zündete eine Duftkerze gegen Stechmücken an.
    „Ja, schon“, antwortete Schäfer und sah Kamp an, da er nicht wusste, inwiefern dessen Frau über ihre Ermittlungen Bescheid wusste.
    „Sie weiß mindestens so viel wie wir“, sagte Kamp, der Schäfers Gedanken erraten zu haben schien, „was glauben Sie, wie ich es zum Oberst gebracht habe …“
    „Stimmt“, erwiderte Schäfer, ohne lange nachzudenken, weil ihn die Erinnerung an seinen ersten Besuch bei Kamp überkam. Arrogant und stolz auf seinen verhältnismäßig hohen Dienstgrad, hatte er Heidemarie Kamp als die klassische Ehefrau eingeschätzt, die ihrem Gatten das Essen warmhielt, während er sich der hehren Verbrecherjagd widmete. Sie hatte ihn bald eines Besseren belehrt. Nicht nur, dass sie über die damals aktuelle Ermittlung wesentlich besser Bescheid wusste als er, verfügte sie zudem über eine Schlagfertigkeit, die ihn und die anderen Kollegen, die anwesend gewesen waren, bald wie überhebliche Chauvinisten aussehen ließ, die sie damals tatsächlich waren. Eine Zeitlang hatte er ihr es übel genommen; hatte sie als frustrierte Akademikerin abgekanzelt, die es ihrem Mann nie verziehen hatte, dass er Karriere machte, während sie sich trotz ihres Doktors in Biologie um die drei Kinder kümmerte und den Haushalt führte. Er hatte sich getäuscht und seine Meinung geändert. Jetzt sah er sie an und wusste, dass Kamp tatsächlich recht hatte: Ohne diese Frau hätte er nie durchgehalten. Ohne jegliches Vorzeichen traten Schäfer die Tränen in die Augen, rasch nahm er eine Papierserviette und wandte den Kopf ab.
    „Entschuldigung, Johannes“, sagte Frau Kamp sanft und stellte schnell die Duftkerze weg, „da reagieren einige allergisch darauf.“
    Während des Essens verlor Schäfer kaum ein Wort. Es schmeckte ihm zu gut, als dass er sich den Mund frei halten konnte. Der Knurrhahn ein Gedicht, der Kartoffelsalat so gut wie bei Johanna, der Pfarrköchin aus Kitzbühel. Und das Himbeersorbet zum Schluss – er sah sich als Kind in den dornigen Sträuchern herumsteigen, während er sich unersättlich den Mund vollstopfte und die Arme zerkratzte.
    Als Schäfer das erste Mal aufstand, um zur Toilette zu gehen – den Vorschlag Kamps, einfach in die Büsche zu urinieren, hatte er höflich abgelehnt –, merkte er, wie betrunken er war. Im Badezimmer wusch er sich das Gesicht mehrmals mit kaltem Wasser und blickte lange in den Spiegel. War er traurig oder fröhlich?, fragte er sein verschwommenes Spiegelbild. Wie auch immer, das nächste Glas musste er ablehnen.
    Was ihm natürlich nicht gelang. Irgendwann holte Heidemarie dann eine Flasche Vogelbeerschnaps aus dem Wohnzimmer, stellte ihn auf dem Gartentisch ab und verabschiedete sich mit dem Hinweis, dass sie am nächsten Tag um sechs Uhr aufstehen und schwimmen gehen wolle, um ihren verkaterten und grantigen Mann nicht zu

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