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Der bessere Mensch

Der bessere Mensch

Titel: Der bessere Mensch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: G Haderer
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ihren Zorn denn noch richten. Kamp stieg den steilen Pfad zur Straße hinauf und gab dem Notarzt Bescheid. Pflichtbewusstsein; das half ihm, sich aufrecht zu halten. Ein paar Minuten später nickte er die Bestätigung des Arztes ab. Kastor hatte sich in den Kopf geschossen. Schwache Lebenszeichen. In den Krankenwagen und ins Unfallkrankenhaus; 16:35 Uhr: Exitus. Kastor war tot.
    „Gut … was sagt uns das?“, fragte Kamp schließlich, stand auf und fing an, im Büro auf und ab zu gehen.
    „Was weiß ich“, meinte Schäfer, der erwartet hatte, von Kamp eine beruhigende Erklärung dieses grotesken Sachverhalts zu bekommen. Wer kannte dieses Monster und seine Geschichte denn besser?
    „Wir exhumieren die Mutter“, entschied Kamp. „Das mit der Probe von damals ist mir zu unsicher. Fünfzehn Jahre … Sie wissen ja, was da durcheinandergekommen sein kann … wir haben alle mitbekommen, wie sich der Fall dieser Phantommörderin aufgelöst hat … Wissenschaft hin oder her … ich will das ganze Prozedere noch einmal durchgehen …“
    „Ja, sicher“, meinte Schäfer, nun etwas ruhiger. Kamp hatte recht. Das wäre nicht das erste Mal gewesen, dass sich die Polizei auf scheinbar unfehlbare wissenschaftliche Ergebnisse verlassen hätte und damit zügig Richtung Holzweg gefahren wäre. Die Phantommörderin … Gott, was für ein absurdes Schauspiel, an dem sie selbst zum Glück nur am Rand beteiligt gewesen waren. Fast acht Jahre lang waren Beamte aus Deutschland, Österreich, Slowenien und Kroatien einer Frau auf den Fersen gewesen, die durch Europa zog, als wäre sie Attilas Urenkelin. Was sie von Anfang an hätte stutzig machen sollen, war die seltsame Bandbreite ihrer Vergehen: ein Bankraub in Passau, eine ermordete Polizistin in Aachen, drei Einbrüche in Slowenien, ein Mord an einem alten Mann in Maribor, und in Wien war die Gesuchte überhaupt nur in das Vereinslokal eines Bezirksfußballvereins eingebrochen, hatte den Getränkeautomaten aufgebrochen, eine Dose Limonade getrunken und war wieder verschwunden. Alarmfahndung, Straßensperren, verstärkte Bahnhofs- und Flughafenkontrollen – die Frau hatte das Budget des Innenministeriums fast so schlimm strapaziert wie die Fußball-EM. Zusammengehalten wurden die Fälle nur durch die deckungsgleichen DNS -Spuren an den verschiedenen Tatorten. Und nach acht Jahren stellte sich heraus, dass das Genmaterial zu einer Arbeiterin in einer tschechischen Fabrik gehörte, die Wattestäbchen herstellte. Wattestäbchen, mit denen die halbe europäische Polizei ihre Forensiker losschickte, um Tatortspuren zu nehmen. Und diese Arbeiterin hatte sich wohl beim Abpacken gedacht: Scheiß auf die Hygienehandschuhe, davon bekomme ich Neurodermitis, und auf unzähligen Wattestäbchen ihre DNS hinterlassen. Was für ein Theater; bringt ein Drehbuchschreiber so eine Geschichte seinem Produzenten, legt ihm der die Hand auf die Schulter, schiebt ihn aus dem Büro und sagt: Jaja, ist schon gut, mein Lieber, die letzten Tage waren stressig, jetzt ruh dich erst mal aus.
    „Wenn die Haare aber wirklich von Kastor stammen … dann muss der Täter irgendwas mit ihm zu tun haben … gehabt haben … wieso platziert er sie sonst da … wenn er uns nicht etwas sagen will …“, sagte Schäfer.
    „Das war ja ohnehin nur eine Frage der Zeit, bis er uns etwas zukommen lässt … die Geschichte mit der Säure … das schreit ja förmlich nach so einem Spinner, der sich auf ein Spiel mit uns einlassen will … da kommt was zu auf uns … alle damaligen Freunde, Verwandte … Zellenkumpane … mit der Sache befasste Beamte … ausgerechnet jetzt, wo …“
    „Er ist schwer verletzt“, bemühte Schäfer sich, den in Rage geratenden Kamp zu beruhigen, „den erwischen wir … nur eine Frage der Zeit …“
    „Ja, bestimmt“, erwiderte Kamp abwesend, „es ist nur, dass … wie schaut’s aus, Schäfer: Möchten Sie heute Abend zu uns zum Grillen kommen?“
    „Ähm … wieso … ja… wenn es Ihnen nichts ausmacht …“
    „Dann hätte ich ja nicht gefragt … ich gebe meiner Frau Bescheid … sagen wir: acht Uhr? Dann können wir uns auch ausführlicher über ein paar andere Dinge unterhalten … ich muss jetzt zum Hofbauer wegen … ja …“
    „Ich bin da“, erwiderte Schäfer verblüfft und erhob sich. Was zum Teufel … sie sollten das Jagdhorn blasen, die Hunde aus den Zwingern lassen und den Fuchs aus dem Bau holen. Und Kamp lud ihn zum Essen ein? Über welche anderen Dinge hatten sie

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