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Der bessere Mensch

Der bessere Mensch

Titel: Der bessere Mensch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: G Haderer
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Unbekannte wandelte? Wieso Kastor? Der war tot! Rasch nahm Schäfer den Bericht an sich, drückte die Eingangstür auf und lief auf direktem Weg zu Kamp. Mit der rechten Hand klopfte er, mit der linken öffnete er gleichzeitig die Bürotür.
    „Die Haare“, warf er dem überraschten Oberst hin, „die DNS … sie ist von Kastor.“
    Kamp rückte vom Schreibtisch weg, räusperte sich und blickte von einer Ecke des Raums in die andere, als ob dort eine Lösung zu finden wäre.
    „Kein Irrtum?“
    „Hier ist der Bericht“, erwiderte Schäfer und setzte sich ungefragt in den Besucherstuhl.
    Kamp überflog die einzelnen Seiten, legte sie auf dem Schreibtisch ab und begann, mit den Fingerkuppen auf die Tischplatte zu trommeln.
    „Warum haben wir damals überhaupt Proben genommen von ihm? Da waren wir doch technisch noch gar nicht so weit. Und wieso sind die im System, wo er doch tot ist? Und wie kommt das jetzt an den Tatort … wie alt ist denn die Küche von Mladic …?“
    „Sah ziemlich neu aus …“
    „Ja, das weiß ich auch … woher stammt das Vergleichsmaterial überhaupt? Will uns da jemand verarschen? Haben Sie noch eine Rechnung offen mit einem aus der Spurensicherung, Schäfer?“
    Kamp bemühte sich offensichtlich auf jede erdenkliche Weise, das eben Vernommene in Zweifel zu ziehen, was Schäfer angesichts der Sachlage nur verständlich erschien.
    „So genau weiß ich das jetzt nicht … aber … Kastor hat die Forensiker zur damaligen Zeit ganz schön auf Trab gehalten. Vielleicht war einer hell genug, während einer Einvernahme eine Probe zu nehmen in der Hoffnung, dass sie ihn in naher Zukunft damit überführen könnten … bei der vergewaltigten Frau haben sie schließlich Sperma gefunden und …“
    „Jaja, wem erzählen Sie das“, erwiderte Kamp mürrisch. Verdammt, wer war denn damals der verantwortliche Polizist gewesen, wer hatte diese ganzen scheußlichen Fälle untersucht, Kastors zerfleischte Eltern gesehen, die verstümmelten Frauen, wer hatte den Einsatz geleitet, bei dem ein junger Gendarm getötet worden war und an dessen Ende … drei Tage und drei Nächte hatten sie ihn gejagt; von Wien in nordwestlicher Richtung bis ins Waldviertel; dann nach Süden, hinunter in die Wachau; dort musste er die Donau durchschwommen haben, die zu dieser Jahreszeit bestimmt nicht mehr als zwölf Grad hatte; nach Oberösterreich, wo sie kurzzeitig seine Spur verloren; bis er in einem Dorf in einen Gendarmerieposten spazierte, einem vierundzwanzigjährigen Beamten die Dienstwaffe abnahm und diesen anschließend erschoss. Über hundert Polizisten, Hundestaffeln, Hubschrauber; sie verstanden nicht, wie er ihnen immer wieder entkommen konnte. Wie schaffte er es, an einem Tag über fünfzig Kilometer zurückzulegen? Zu Fuß; im dichten Wald, über steile Gräben, durch reißende Bäche; es war, als verfolgten sie eine Maschine. Bis zu diesem Bootshaus am Ufer des Thumsees, an der Staatsgrenze, wo auf Ansuchen des Innenministers zusätzlich eine deutsche Spezialeinheit in Bereitschaft stand. Sie hatten ihn umstellt. Dann dieser plötzliche Frieden: Nahm nur er ihn wahr oder waren sie tatsächlich mit einem Mal alle verstummt? Selbst der Hubschrauber, der über dem Bootshaus kreiste, schien sich zu bemühen, die eingebildete Idylle nicht zu stören. Da waren die Seerosen neben dem Holzsteg; sacht schaukelten sie in den Wellen, die die Rotorblätter über das Wasser schickten. Für einen Augenblick kam ihm das alles unfassbar schön vor. Der Einsatzleiter der Cobra kam auf ihn zu. Sollten sie nicht stürmen? Einen Moment noch. Vielleicht würde sich Kastor ja ergeben. Wo das Megafon wäre. Er zögerte. Da war der Wunsch, diese Existenz ein für alle Mal auszulöschen. Sollten sie doch die Hütte durchlöchern und mit ein paar Kilo Munition weniger nach Hause fahren. Doch was trennte ihn dann noch von Kastor außer dieser verwitterten Bretterwand? Er hob das Megafon in Mundhöhe; seine Stimme versagte ihm. Da zerstörte ein Schuss die magische Stille. Zugriff, rief Kamp seinen Leuten zu, obwohl er instinktiv wusste, dass sie niemanden mehr zu überwältigen hatten. Gegen wen hätte Kastor seine Vernichtungswut denn noch richten sollen. Ein Adrenalinabbau, mehr war es nicht, was er den Polizisten zugestehen konnte nach den schlaflosen Nächten; nach der Wut und der Verzweiflung, die sich ins Unerträgliche gesteigert hatten. Wenigstens das Bootshaus sollten sie demolieren können; worauf sonst sollten sie

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