Der bessere Mensch
Ihnen wechselweise – und natürlich inoffiziell – zur Verfügung stehen … ich mache Sie gleich im Anschluss mit ihnen bekannt …“
„Na bestens“, erwiderte Schäfer, freudig überrascht von der unkomplizierten Vorgehensweise des Oberstleutnants. Dieser griff zum Telefon und bestellte die zwei Polizisten zu sich.
Nachdem sie alle dienstlichen Angelegenheiten besprochen hatten, luden Schäfers neue Kollegen ihn in ein Wirtshaus in der Nähe ein. Er ließ sich den Schlüssel für den Renault geben und fuhr ihnen hinterher. Es war ein Gastgarten ganz nach seinem Geschmack: riesige Kastanienbäume, schwere Holztische, eine Kellnerin mit der Statur einer Dampflokomotive. Sie bestellten, tauschten sich über belanglose Allerweltsthemen aus und glitten langsam, aber bestimmt in ein Gespräch über den Fall, das sie mit zunehmender Begeisterung führten. Da wollte bestimmt jemand Rache üben! Oder noch brutaler werden als Kastor. Fünfzehn Jahre später. Der hatte bestimmt irgendwo eingesessen. In der Psychiatrie. Da hatte er seine Mordpläne geschmiedet. Schäfer hielt sich zurück, gab ab und zu einen Kommentar, um nicht unhöflich zu erscheinen. Er kannte diese Aufregung, den Enthusiasmus, den so ein Fall erzeugen konnte, vor allem, wenn man nicht unmittelbar betroffen war. Da wurde man so schnell zum Fachmann für Serien- und Ritualmorde wie ein ganzer Stammtisch sich nach einem verlorenen Länderspiel zum besseren Fußballtrainer erklärte. Da ließ es sich leicht reden, während seinen Kollegen in Wien die Knie wegen der Befragungsmarathons in liftfreien Altbauten schmerzten, Schreyer den Staub ausnieste, der von den alten Akten in seine Nase kroch, und Kamp nächtliche Runden in seinem Garten drehte und sich den Kopf darüber zermarterte, was oder wen er damals übersehen hatte. Verdammt, wie gerne Schäfer jetzt bei seiner Gruppe wäre. Doch vielleicht war es ja gerade die Unbefangenheit der Salzburger, die ihm neue Sichtweisen auftat. Vielleicht gelang es Schäfer, mit ihrer Hilfe den Fall zu lösen. Und wie einst Marcus Antonius aus Ägypten siegestrunken zurückzukehren und unter den begeisterten Zurufen des Pöbels auf dem Streitwagen den Schottenring abzufahren, haha!
25.
Obwohl er sich vorgenommen hatte, laufen zu gehen, beschloss er, den Abend in der Innenstadt zu verbringen. Als er auf der Suche nach einem Parkplatz seine Pension umkreiste, rief Kovacs an.
Schreyer sei auf eine Krankenakte von Kastor gestoßen – allerdings aus seiner Kindheit. Sie hätten sie gescannt und per Mail geschickt, vielleicht helfe ihm das irgendwie weiter. Ansonsten: viel Laufarbeit, viel telefonieren, keine großen Fortschritte.
Also waren sie auch in Wien nicht weitergekommen. Sollte er sich darüber freuen? Was war er nur für ein egozentrisches Kameradenschwein! Kopfschüttelnd legte er das Telefon auf den Beifahrersitz und sah im selben Moment zu seiner Rechten eine Parklücke frei werden. Er setzte den Blinker, fuhr langsam vor und versuchte, rückwärts einzuparken. Keine Minute später das erste ungeduldige Hupen. Schäfer fluchte. Er hatte es noch nie wirklich gekonnt, dazu mit einem ungewohnten Auto. Als ihn das Hupkonzert hinter ihm so nervös gemacht hatte, dass er ohnehin keine Chance mehr sah, den Wagen unbeschadet in die Parklücke zu bringen, stieg er aus, ging zum ersten Fahrzeug des von ihm verursachten Staus und zückte, warum auch immer, seinen Dienstausweis. Eine junge Frau ließ das Fenster herunter und sah ihn grinsend an.
„Können Sie das?“, fragte er, ohne ihr in die Augen zu sehen.
Ohne eine Antwort stieg sie aus, ging zu seinem Wagen und schob ihn binnen dreißig Sekunden präzise zwischen die beiden anderen Autos.
„Danke“, meinte Schäfer und verzog sich rasch in die nächste Gasse.
Zurück in der Pension, wollte er als Erstes das E-Mail aus Wien abrufen. Kovacs, meine größte Nachwuchshoffnung, ging es ihm durch den Kopf. Sie war von Grund auf ehrlich, würde nie die erfolgreiche Arbeit eines Kollegen als die ihre ausgeben. Doch sie war auch außergewöhnlich ehrgeizig und Schäfer hatte ihren leicht abschätzigen Tonfall, als sie Schreyers Einsatz erwähnte, nicht überhört. Ehrlichkeit und Ehrgeiz: ein großes Schlachtfeld für innere Konflikte, die einen ebenso läutern wie brechen konnten.
Er fuhr seinen Laptop hoch, nur um gleich darauf festzustellen, dass es weder in der Pension noch in der Nähe ein kabelloses Netzwerk gab, auf das er frei zugreifen konnte. Jetzt
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