Der Bestatter: Thriller (Christian Beyer-Reihe)
begreifen,
welches der beiden Fotos die Karikatur zeigte. Als sie vor etwa einem Jahr zum
ersten Mal derart neu gestylt im Polizeipräsidium aufliefen, war das Gelächter
groß. Seitdem wurden sie ›Blues Brothers‹ oder ›Men in Black‹ genannt. Im
Grunde wußte niemand, wie die beiden richtig hießen, Volker vermutete, daß
nicht mal Ina es wußte, aber eigentlich war es auch egal.
Er fluchte leise, schob den widerstrebenden Guevara von seinem Schoß
und erhob sich.
»Viel Pech, da kann man nichts machen«, meinte er und wandte sich
zum Gehen.
Ina begleitete ihn durch den vollgestopften Flur wieder zurück zur
Tür.
»Können den Auftrag nicht andere erledigen?« fragte sie.
»Schwierig«, erwiderte Volker.
»Also illegal«, bemerkte Ina. »Ich sag ihnen Bescheid, daß sie sich
bei dir melden sollen.«
Volker nickte: »Sobald sie hier zur Tür rein sind. Keine Sekunde
später.«
Angespannt folgte Christian Anna ins Haus. Sie führte ihn
direkt in ihr Behandlungszimmer, so daß er keine Gelegenheit hatte, sich in
Ruhe umzusehen. Dennoch spürte er die angenehme Atmosphäre in der kleinen
Gründerzeit-Villa. Das Behandlungszimmer war karg, aber stilvoll eingerichtet
und strahlte Wärme und Behaglichkeit aus. Anna schaltete ihren Computer ein und
zeigte Christian die Mails, die Dante ihr geschickt hatte. Er las auch das
Gedicht und die Rachepsalmen, die sie an die Wand geheftet hatte. Anna setzte
sich auf die Couch und wartete stumm.
»Das sind andere«, sagte Christian und tippte auf die Psalme,
»andere als die bei den Leichen.«
Anna saß da, mit hängenden Schultern, und grübelte über ihre Rechte
und Pflichten als Psychologin. Und als Mensch. Christian setzte sich zu ihr:
»Wäre aber auch schön blöd von ihm, wenn er dir die gleichen schicken würde.
Das hier ist eh schon verdammt unvorsichtig. Wie heißt dein Patient? Auch wenn
du falschliegst, ich muß mit ihm reden.«
Anna war Christian dankbar, daß er die Möglichkeit einräumte, Dante
könne doch nicht der Bestatter sein. Aber sie glaubte nicht daran.
»Ich will dir seinen Namen lieber nicht sagen, wegen der
Schweigepflicht«, antwortete sie kraftlos. »Außerdem ist der erfunden. Er hat
sich eine neue Identität zugelegt. Wie diese Carola Moosbach.«
Anna erhob sich, holte aus der nebenan liegenden Küche eine Flasche
Mineralwasser und zwei Gläser und schenkte ein. Sie stürzte ihr Wasser hinunter
wie eine Verdurstende und setzte sich wieder neben Christian, ein wenig näher
als vorher. Hilflos fragte sie ihn, warum Dante wohl ausgerechnet ihr diese
Informationen hatte zukommen lassen. Schließlich konnte er nichts von ihren
Beziehungen zum Ermittlerteam wissen. Sie vermutete, daß er durch ihre Bücher
und Vorträge auf sie gekommen war, also im Grunde durch puren Zufall. Dennoch:
Falls er tatsächlich der Bestatter war, ging er ein unnötiges Risiko ein.
Christian hingegen nahm an, daß er letztlich gefaßt werden wollte, wie die
meisten. Doch dann stellte sich die Frage, warum er nicht die geringste Spur am
Tatort hinterließ und seine Hinweise nicht gleich an die Polizei gab.
»Eben! Er geht zu einer Psychologin. Ich glaube, er will einfach nur
Hilfe. Er will geheilt werden von den Schmerzen der Erinnerung, von seinen Dämonen«,
flüsterte Anna so leise, als wollte sie selbst die Dämonen nicht aus dem Dunkel
der Nacht herbeirufen.
»Ich mochte ihn«, fügte sie kaum noch hörbar hinzu, »aber wie kann
ich jemanden mögen, der kleine Kinder tötet?«
Christian legte väterlich den Arm um sie. Anna ließ es geschehen.
»Das wußtest du nicht. Falls es überhaupt stimmt«, versuchte er sie
noch einmal zu beruhigen. Er strich ihr mit der Hand übers Haar. Anna begann zu
weinen.
»Ich bin krank«, stieß sie hervor, »ich muß krank sein!«
Ihre plötzliche Heftigkeit überraschte ihn: »Was meinst du?«
Anna entzog sich seiner Umarmung wie ein trotziges Kind: »Weil ich
meine Mutter, mit der ich Mitleid haben sollte, verachte. Weil ich meinen
Vater, der ein gewalttätiges Arschloch ist, liebe. Weil ich mich einem
Patienten seelenverwandt fühle, der Kinder umbringt.«
»Erzähl mir von deinem Vater«, bat Christian. Er wußte in diesem
Moment nicht, was ihm wichtiger war: Alles über den mysteriösen Patienten aus
Anna herauszuholen, oder ihr einfach nur näherzukommen. Anna schien reichlich
verstört, die Angelegenheit nahm sie zu sehr mit, als daß sie den antrainierten
Panzer aufrechterhalten konnte.
»Er ging immer sehr
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