Der Bestatter: Thriller (Christian Beyer-Reihe)
hatten sie keinen festen Beweis in der Hand. Die ungewöhnliche
Schrift, in der die Psalmen abgefaßt waren, taugte als Indiz. Aber wenn sie
Detering zu einem Gespräch baten, hatten sie im Grunde nur vage Chancen:
Entweder er gestand gleich, oder er machte einen verhängnisvollen Fehler, etwa
mit getürkten Alibis für die Tatzeiten. Konnten sie ihn aber nicht festnageln,
wäre er gewarnt und würde ihnen eventuell durch die Lappen gehen. Wollten sie
das verhindern, indem sie nicht mit ihm sprachen, konnte es sein, daß sie ihn
wochenlang beobachteten, ohne einen Schritt weiterzukommen. Christian tendierte
dazu, auf den Busch zu klopfen, ihn nervös zu machen. Er ertrug die Vorstellung
nicht, tatenlos abzuwarten. Soviel wie der Typ durch die Gegend flog, war eine
lückenlose Beobachtung ohnehin schwer zu gewährleisten. Wenn Detering es auch
nur ein einziges Mal schaffen würde, ein Flugzeug zu besteigen und Scout und
Nicki abzuhängen, konnte kurz darauf das nächste Kind irgendwo aufgebahrt sein.
Christians Entschluß stand fest: Dieses Risiko durften sie nicht eingehen.
Er sah auf die Uhr. Er hatte nicht vor, seinen Kollegen zu sagen,
woher er die neuen Informationen hatte. Anna sollte keine Schwierigkeiten
bekommen. Pete jedoch war ein Problem, er würde sich nach der Begegnung gestern
abend im Luxor an zwei Fingern abzählen können, wer der Therapeut war, der die
Informationen über Detering weitergegeben hatte. Allerdings konnte Christian
davon ausgehen, daß Pete dichthielt, um Annas willen.
Christian öffnete die Tür zum Toilettenraum und stellte sich ans
Pissoir. Kaum hatte er zu pinkeln begonnen, kam Pete herein, zögerte kurz,
stellte sich dann jedoch genau neben ihn. Christian nickte knapp zur Begrüßung.
»Und?« sagte Pete.
»Was und?«
Pete öffnete seine Hose und fragte beiläufig: »Wollte sie von dir
auch geschlagen werden?«
Christian blickte Pete kurz entgeistert an, bis er verstand. Kalt
kniff er die Augen zusammen, knöpfte seine Hose zu, trat ganz dicht an Pete
heran, packte ihn am Kragen und zischte ihm ins Ohr: »Halt die Luft an, du
Lutscher! Hast du mich verstanden?«
Pete steckte seinen Schwanz zurück in die Hose und drehte sich um.
Die beiden standen Nasenspitze an Nasenspitze.
»Sorry«, entschuldigte sich Pete, »ich wollte nicht …«
»Was du willst, da scheißt der Hund drauf«, knurrte Christian und
ging zu den Waschbecken. Pete folgte ihm: »Schon klar.« Auch er wusch sich die
Hände.
Etwas beherrschter fuhr Christian fort: »Zwischen Anna und mir läuft
nichts.« Und das würde vorerst auch so bleiben, denn ein Verhältnis mit einer
Zeugin würde seine Ermittlungssituation nicht gerade verbessern.
»Selbst wenn, hätte ich dir nicht ins Revier gepinkelt. Das hast du
selbst versaut«, fügte Christian hinzu. »Und jetzt noch was: Ich werde euch
gleich ein paar Neuigkeiten über den Bestatter erzählen. Und du wirst Annas
Namen mit keiner Silbe erwähnen. Wir werden beide fein säuberlich Berufliches
und Privates trennen, klar?!«
Christian ging hinaus. Pete sah in den Spiegel und verzog das
Gesicht, wütend auf sich selbst. Er trat gegen die Wand, von der ein Stück Putz
abblätterte. Was hatte ihn bloß zu dieser erbärmlichen Vorstellung eines
beleidigten Liebhabers getrieben? Und was hatten die Neuigkeiten über den
Bestatter mit Anna zu tun?
Volker kam sofort darauf. Nachdem Christian die versammelte
Mannschaft – selbst Karen war an ihrem freien Samstag zur Sitzung gekommen –
über die an ihn weitergegebenen Erkenntnisse eines Hamburger Psychotherapeuten
informiert hatte, wandte sich Volker lächelnd an Pete: »Schätze, da haben uns
deine guten Beziehungen zu einer gewissen Dame dieses Berufsstandes geholfen.
Wie hieß sie noch? Anna?«
Christian sah sofort ein, wie sinnlos sein Impuls war, Volker und
die anderen zu belügen. Zumal er Anna gerne zu dem ersten Verhör Deterings
hinter die verspiegelte Glasscheibe bitten wollte, damit sie ihn auch ganz
sicher identifizierte.
»Okay«, nickte er Volker zu, »du hast recht. Wir wollen sie aber
möglichst raushalten, damit sie keinen Ärger mit ihrer Kammer bekommt. Nichts
geht an die oberen Etagen, und schon gar nichts an die Presse.«
Alle nickten. Nur Karen blickte etwas kritisch.
»Irgendwelche Einwände?« fragte Christian sie.
Karen sah von Pete zu Christian. »Wie wahrscheinlich ist es, daß der
Bestatter rein zufällig bei der Psychologin in Therapie geht, die was mit einem
Beamten hat, der
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