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Der beste Tag meines Lebens

Der beste Tag meines Lebens

Titel: Der beste Tag meines Lebens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ashley Miller , Zack Stentz
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echte, sondern eine rhetorische Frage gestellt hatte. Melissa schaute weg, während ihr Gesicht vom hübschen Grübchen an ihrem Kinn bis zu den Ohrläppchen rot anlief. Sie war VERLEGEN .
    »Ich besitze kein Kugelschreiberetui«, erwiderte Colin. »Außerdem hat mein Sporthemd gar keine Tasche. Es ist ein T-Shirt, und zwar von der Caltech. Ich mag es viel lieber als das, was ich gestern anhatte, weil es zu 100  Prozent aus Baumwolle ist und nicht aus Polyester, das eine Synthetikfaser darstellt. Ich mag nämlich keine synthetischen Fasern, weil sie kratzen.«
    Abby und Emma lachten noch lauter.
    »Das stimmt. Außerdem, für den Fall, dass Synthetik in Brand geraten sollte …«
    »Colin«,
fiel Melissa ihm ins Wort. Ein ebenfalls untypisches Verhalten. Üblicherweise war Melissa sehr rücksichtsvoll und ließ Colin seine Gedanken ausführen, egal in welch seltsame Richtung sie ihn manchmal führten. »Stell deine Frage.«
    »Wie finge ich es am besten an, wenn ich meine Eltern anlügen wollte?«
    ***
    In der siebten Klasse bemerkte Colin ein ungewöhnliches Phänomen. Melissa kam in langen Röcken oder empfindlichen dunklen Hosen in die Schule und verschwand sofort in der Mädchentoilette. Ein paar Minuten später kam sie in zerrissenen Jeans, Minirock oder was auch immer damals unter den Mädchen gerade angesagt war wieder heraus. Am Ende des Schultages passierte das Gleiche in umgekehrter Reihenfolge. Bevor sie sich auf den Heimweg machte, zog Melissa immer ihr ursprüngliches Outfit wieder an.
    Nachdem er das sechs Monate lang beobachtet hatte, wies Colin Marie darauf hin. Er konnte nicht begreifen, warum Melissa für die Schule zwei unterschiedliche Garderoben brauchte, und auf Colins direkte Fragen danach weigerte sie sich zu antworten. Diese Zurückweisungen waren das Maximum an ÄRGER , das sie Colin gegenüber je an den Tag legte. Auch das hielt ihn davon ab, weiter nachzubohren.
    »Sie will nicht tragen, was ihre Eltern für angemessen halten, und sie will nicht, dass sie davon wissen«, hatte Marie ihm als Begründung vorgeschlagen. Trotzdem ergab diese offensichtliche Täuschung für Colin nicht viel Sinn, aber immerhin war es eine Erklärung für etwas, das ihm sonst unerklärlich geblieben wäre. Darüber hinaus machte es Melissa zur idealen Lehrmeisterin in der Kunst des Lügens.
    An jenem Nachmittag belog Colin seine Mutter zum allerersten Mal.
    Als der Anruf sie erreichte, faltete Mrs. Fischer gerade Wäsche zu sorgsam sortierten Stapeln und führte gleichzeitig online eine Telefonkonferenz mit Ingenieuren am JPL sowie an NASA -Stützpunkten in Houston, Washington, D.C., und Florida. »Wenn wir also das Paket mit der Infrarot-Bildgebung fallen lassen und die Inspektionen mit den letzten Vorbereitungsarbeiten staffeln, dann können wir immer noch im Zeitfenster für den Start bleiben«, sagte Mrs. Fischer, hielt ein Hemd hoch und kniff die Augen ein bisschen zusammen, um zu erkennen, wem es gehörte. Ihre Söhne hatten inzwischen ein Alter erreicht, das es schwer machte, ihre Kleidung zu unterscheiden. Untereinander, aber auch von den Sachen ihres Mannes. »Jetzt …«
    Ihr Mobiltelefon klingelte.
Colin.
Mrs. Fischer schwieg und betrachtete das Foto, das den Anrufer identifizierte – ein Schnappschuss von Colin, als er mit einem seltenen breiten Lächeln aus dem Air & Space Museum kam. Das Bild war sechs Jahre alt – auf Colin bezogen fast ein halbes Leben –, aber es würde nie veralten.
    »Eine Sekunde, bitte«, sagte sie, »die Welt geht gerade unter, und mein Sohn scheint mittendrin zu sein.« Die anderen lachten. Colin war ihnen allen bekannt, aber auch die Tatsache, dass er im Ganzen doch einigermaßen unproblematisch war.
    Mrs. Fischer stellte ihre Telefonkonferenz auf stumm und nahm das Handygespräch an. »Ich bin gerade ein wenig beschäftigt, Großer«, sagte sie. »Hat dein Anliegen etwas Zeit?«
    »Tut mir leid, Mom«, sagte Colin mit seiner üblichen angenehm ruhigen Stimme. Anders als die meisten Menschen sprach er am Telefon exakt genauso wie in einer Unterhaltung von Angesicht zu Angesicht. »Ich möchte dir nur Bescheid sagen, dass ich heute nach dem Unterricht noch in der Schule bleiben muss. Ich muss noch etwas recherchieren.«
    Danach herrschte Schweigen. Für einen kurzen Moment fand seine Mutter es seltsam, dass Colin schon so früh im Schuljahr den Auftrag für ein Rechercheprojekt bekommen hatte. Aber andererseits war Colin für Rechercheprojekte aller Art zu

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