Der Bestseller
zu verlassen, und werde jederzeit erreichbar sein.« Ich stand von meinem Schreibtischsessel auf und ging zur Tür. Als ich sie öffnete, sah ich Licht aus Parkers Büro kommen. Drinnen flammten Blitzlichter auf, und ich hörte Menschen umhergehen.
»Danke, daß Sie uns Ihre Zeit geopfert haben«, sagte Hatcher. »Das muß ein ziemlicher Schock für Sie gewesen sein. Den Toten zu finden und so weiter, meine ich.«
>Das kann man wohl sagen<, dachte ich. >Bisher bin ich nur zwischen zwei Buchdeckeln auf Leichen gestoßen. Oder in einem Manuskript.<
Als die Polizisten endlich ihre Ausrüstung zusammengepackt hatten und Parker in einem Leichensack abtransportiert worden war, den man auf die Rollbahre geschnallt hatte (als müßte man befürchten, er könnte aufstehen und nach Hause gehen), verließ ich ebenfalls den Verlag.
Draußen standen mit blinkenden Einsatzlichtern der Transporter des Leichenbeschauers und einige Polizeiwagen. Einige Schaulustige hatten sich versammelt. Die Hecktür des Transporters wurde zugeschlagen, und dann war Parker verschwunden und wurde in das ungemütliche Leichenschauhaus gekarrt, in dem ich einmal gewesen war und das ich nie wieder betreten wollte.
Eine Zeile von Donne fiel mir ein: »Ein jeder Tod macht mich kleiner, denn ich gehöre zur Menschheit .« Genau so fühlte ich mich in diesem Augenblick: irgendwie kleiner und verwundbarer. Das hätte auch ich sein können. Und Parker Foxcroft war beileibe nicht irgendein Mensch; auf seine Weise und in dem, was er am besten konnte, war er ein Genie. Aber was für ein Mensch war er gewesen? Mir wurde bewußt, daß ich ihn, obwohl wir doch immerhin drei Jahre lang zusammengearbeitet hatten, kaum kannte. Abgesehen von der Arbeit hatten er und ich nichts miteinander zu tun. Ich hatte seine Wohnung nie betreten, ebensowenig wie er mein Haus. Er war nicht Mitglied des Players Clubs gewesen, so daß ich ihm auch dort nie begegnet war. Wie so viele Menschen, mit denen wir täglich zusammenarbeiten, war er mir fremd.
Obwohl es schon spät war, wollte ich noch nicht nach Hause und zu Bett gehen, also schlenderte ich zurück zum Players Club und sog, als ich am Gramercy Park vorbeikam, tief den Duff der Blumen ein.
Ich war nicht überrascht, Frederick Drew im Grill Room zu sehen. Er lehnte an der Bar und war in ein ernstes Gespräch mit Juan, dem Barmann, vertieft. Als er mich sah, erschien auf seinem Gesicht etwas, das für seine Verhältnisse fast ein Lächeln war. Ich erwartete nicht, ihn nüchterner vorzufinden, als zu dem Zeitpunkt, da ich ihn verlassen hatte, und das war auch nicht der Fall.
»Nick«, nuschelte er, »so treffen wir uns am Wasser des Lebens.«
» Arsen und Spitzenhäubchen «, sagte ich. Drew nickte. Howard Lindsay, der in diesem Stück mehr als eine Hand im Spiel gehabt hatte, war in den fünfziger Jahren Präsident des Clubs gewesen und hatte seine Auftritte als Conférencier bei der Players Pipe Night — einem geselligen Abend mit einem Unterhaltungsprogramm — stets mit demselben Satz beendet: »Und nun führe ich euch zum Wasser des Lebens!«, und damit hatte die Gesellschaft den Speisesaal verlassen und war hinunter in den Grill Room gegangen.
»Freut mich, Sie zu sehen, Fred«, sagte ich. Das war gelogen, aber ich war neugierig. »Als wir uns vorhin unterhalten haben...«
»Ja?«
»Entschuldigung.« Ich wandte mich an den Barmann. »Juan, einen Rémy Martin, bitte.«
Als ich den Cognacschwenker in der Hand hielt und das herrliche rauchige Aroma tief eingeatmet hatte, fuhr ich fort: »Sie wollten mir gerade erzählen, wie Sie Ihren Job als Lehrer verloren haben, als ich ans Telefon gerufen wurde. Und als ich dann zurückkam, waren Sie verschwunden.«
»Ja«, antwortete er. »>Natur hält ihre Sitte, was Scham auch sagen mag.<« Ich erkannte das Shakespeare-Zitat, das über dem Pissoir stand. »Ich mußte mal.«
»Also, was ist passiert, Fred? Erzählen Sie.«
Er richtete sich auf, beugte sich zu mir und kam mir dabei so nahe, daß ich einen Augenblick lang dachte, er wolle mich am Revers packen. Sein Gesicht wurde rot vor Wut, und seine Stimme war in der ganzen Bar zu hören. Selbst der Barmann zuckte zusammen. Was mich betrifft, so fuhr ich vor der Vehemenz seiner Wut zurück.
»Dieser Scheiß -Foxcroft hat mich fertiggemacht!«
Ich wußte nicht, was ich darauf sagen sollte. »Parker? Wie?« Eine lahme Antwort, aber eine bessere fiel mir nicht ein.
»Sie wissen ja, daß ich am Hamilton Institute Lehrer
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