Der Bestseller
schließlich einschlief, geschah das nicht, weil ich das Interesse an dem Manuskript verloren hätte. Es war vielmehr »Schlaf, o holder Schlaf! Du Pfleger der Natur«, wie Shakespeare ihn genannt hat, der mit heilender Hand über meine Augen strich.
Morgen früh... werde ich weiterlesen... morgen früh...
11
D as Wetter war so gut, daß ich beschloß, auf der Dachterrasse zu frühstücken, wo ich auch den Rest des Eismann -Manuskripts las. Ich frage mich immer wieder, warum so viele Menschen die erste Mahlzeit des Tages so langweilig finden und warum sie jeden Tag dasselbe essen. Ich bin viel gereist und habe recht exotische Frühstücke kennengelernt, von pâté de campagne und Toast Point in Paris bis hin zu Glutenbrot mit Holunderbeeren und Dickmilch in Frankfurt. An diesem Morgen ließ ich mir geräucherten Hering und Pepitas French Toast schmecken — sie nimmt dafür altbackenes Sauerteigbrot, das sie mit Ahornsirup übergießt und mit frischen Blaubeeren garniert.
Ich trank gerade meine zweite Tasse Juan-Valdez-Kaffee, als Oscar mit dem schnurlosen Telefon erschien. »Miz Richmon«, sagte er.
»Schön, daß du anrufst«, sagte ich, bevor Margo ihre Bombe zünden konnte.
»Nick«, sagte sie, »ich wollte dir sagen, wie leid es mir tut wegen gestern abend. Ich weiß, wie enttäuscht du warst...«
»Enttäuschung ist nie tödlich, meine Liebe«, sagte ich. »Und meistens nicht mal endgültig.«
»Ich habe nachgedacht.«
»Laß hören.«
»Ich finde, wir sollten uns eine Weile nicht sehen.«
Ich spürte einen Stich in der Brustgegend, der — da war ich ganz sicher — von Enttäuschung rührte. »Aber warum denn?«
»Ich glaube, wir brauchen etwas Abstand und ein bißchen Zeit, um uns darüber klarzuwerden, wo wir stehen — und wohin wir wollen.«
»Das ist sehr vernünftig von dir, Margo. Ich wollte, ich könnte dasselbe von mir sagen.«
»Das ist ja das Problem, Nick. Du scheinst dich emotional sehr stark einzubringen. Ich tue das nicht — jedenfalls nicht so wie du. Ich mag dich ja wirklich...«
»Oh, danke schön.«
»Aber du weißt ja auch, daß bei dir die Arbeit immer an erster Stelle steht.«
Wenn ich nicht gerade in den Mord an einem meiner Lektoren verwickelt hin.
Es sah so aus, als gäbe es da für mich nicht mehr viel zu sagen. Margos Entschluß stand fest. Sie würde sich nicht umstimmen lassen — jedenfalls nicht von mir. Ich murmelte, das tue mir leid, und dann sagte sie, sie werde sich bei mir melden, und dann legten wir auf. Mir wurde bewußt, daß ich mit diesem Gespräch wahrscheinlich weit unzufriedener war als Margo. Margo, Margo... warum? Der Autor des einzigen Buches über Astrologie, das ich je verlegt habe (und zwar mit einem ziemlich deutlichen ironischen Augenzwinkern), hätte wahrscheinlich gesagt, daß sie einfach ein typischer Zwilling sei — und vielleicht gab die Astrologie in diesem Fall tatsächlich die richtige Antwort.
Inzwischen war meine zweite Portion French Toast abgekühlt, ebenso wie meine Leidenschaft. Ich fand die Aussicht, daß es in nächster Zeit vielleicht keine Frau in meinem Leben geben würde, nicht sehr schlimm.
Natürlich würde mir Margos Gesellschaft fehlen. Und was war mit der zweiten Karte für den »Mostly-Mozart«-Abend der Philharmoniker? Margo und ich gingen gewöhnlich zu einem frühen Abendessen in eines unserer Lieblingsrestaurants — zu Pierre au Tunnel vielleicht, zu Le Quercy oder zu Sfuzzi — und schlenderten dann gemächlich zu jenem Gebäude, das Margo zu meinem Entzücken beharrlich als »Eddie Fisher Hall« bezeichnet.
Ich würde eine andere Musikliebhaberin finden müssen.
Im Verlag ließ ich Sidney zu mir kommen und teilte ihm mein wohlerwogenes verlegerisches Urteil über seine Entdeckung mit.
»Das muß noch überarbeitet werden, Sidney.«
»M-Müssen sie d-das nicht alle?«
Ich träume seit langem von dem Tag, an dem ein Manuskript auf meinem Tisch landet, bei dem ich kein Wort verändern, ja nicht einmal ein Komma hinzufügen oder streichen müßte — ein Meisterwerk wie ein seltener, eben erst geschliffener Diamant. Ich warte noch immer und habe den starken Verdacht, daß mein Traum sich nie erfüllen wird.
»Aber trotz aller Mängel ist Der Eismann einen Vertrag und einen bescheidenen Vorschuß wert — sagen wir zehntausend Dollar. Die übliche Aufteilung.«
»F-Fünf bei Unterschrift, der Rest bei Ablieferung?«
Ich nickte. »Und ich möchte die Autorin so bald wie möglich kennenlernen«, sagte
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