Der Besuch
komisch. „Du bist nicht viereckig, nicht wahr?“ sagte er, als der Vikar ihren Zweck erklärte. „Wir klappen uns nie zusammen. Wir liegen auf der Affodill herum, wenn wir ausruhen wollen.“
„Der Sessel“, sagte der Vikar, „hat, um die Wahrheit zu sagen, auch mir immer Kopfzerbrechen bereitet. Er stammt, glaube ich, aus der Zeit, als die Fußböden kalt und sehr schmutzig waren. Ich vermute, wir haben diesen Brauch beibehalten. Es ist eine Art Instinkt geworden, daß wir auf Sesseln sitzen. Wenn ich jedenfalls eines meiner Pfarrkinder besuchen ginge, und ich würde mich plötzlich auf dem Boden breitmachen – die natürliche Art des Ausruhens –, wüßte ich nicht, was man tun würde. Es würde augenblicklich in der ganzen Gemeinde bekannt sein. Dennoch scheint es die natürliche Art des Ausruhens zu sein, daß man sich niederlegt. Die Griechen und Römer ...“
„Was ist das?“ sagte der Engel plötzlich.
„Das ist ein ausgestopfter Eisvogel. Ich habe ihn getötet.“
„Ihn getötet!“
„Ihn erschossen“, sagte der Vikar, „mit einer Flinte.“
„Erschossen! Wie du es mit mir gemacht hast?“
„Ich habe Sie nicht getötet, verstehen Sie.
Glücklicherweise.“
„Läßt einen Töten so werden?“
„In gewisser Hinsicht.“
„Oh, Gott! Und du wolltest mich zu so etwas machen – wolltest mir Glasaugen einsetzen und mich in einem Glasbehälter aufhängen, der voll von häßlichem grünem und braunem Zeug ist?“
„Wissen Sie“, fing der Vikar an, „ich hatte kaum eine Ahnung ...“
„Ist das sterben’?“ fragte der Engel plötzlich.
„Das ist tot; es ist gestorben.“
„Armes, kleines Ding. Ich muß viel essen.
Aber du sagst, du hast es getötet. Weshalb?“
„Wissen Sie“, sagte der Vikar, „ich interessiere mich für Vögel, und ich, hm, sammle sie. Ich wollte das Exemplar ...“
Der Engel starrte ihn einen Augenblick verwirrt an. „Ein herrlicher Vogel wie dieser!“ sagte er mit Schauder. „Weil dich eine Laune gepackt hat. Du wolltest das Exemplar!“ Er dachte eine Minute nach. „Tötest du oft?“ fragte er den Vikar.
13
Dann traf Dr. Crump ein. Grummet hatte ihn keine hundert Yards vor dem Tor des Pfarrhauses getroffen. Er war ein großer, ziemlich schwerfälliger Mann mit glattrasiertem Gesicht und einem Doppelkinn. Er trug einen grauen Cutaway (er hatte eine Vorliebe für grau) und eine schwarzweiß karierte Krawatte.
„Was ist passiert?“ sagte er, als er eintrat und ohne eine Spur von Überraschung in das leuchtende Gesicht des Engels blickte.
„Dieser ... hm ... Herr“, sagte der Vikar, „oder
... ah ... Engel“ – der Engel verbeugte sich –
„leidet an den Folgen einer Schußwunde.“
„Schußwunde!“ sagte Dr. Crump. „Im Juli!
Kann ich sie sehen, Mr. – Engel, sagten Sie, glaube ich?“
„Er wird wahrscheinlich in der Lage sein, Ihre Schmerzen zu lindern“, sagte der Vikar.
„Darf ich Ihnen beim Ausziehen des Rockes behilflich sein?“ Der Engel drehte sich gehorsam um.
„Rückgratverkrümmung?“ murmelte Dr.
Crump durchaus hörbar, als er den Engel von hinten betrachtete. „Nein! Abnormes Wachstum. Hallo! Das ist merkwürdig!“ Er ergriff den linken Flügel. „Komisch“, sagte er. „Verdoppelung der vorderen Gliedmaßen – in zwei Teile gespalten und rabenschnabelförmig.
Natürlich möglich, aber ich habe es noch nie zuvor gesehen.“ Der Engel zuckte unter seinen Händen zusammen. „Schulterbein, Speiche und Elle. Alles da. Angeboren, natürlich.
Schulterbein gebrochen. Seltsamer, federähnlicher Wuchs auf der Haut. Du meine Güte.
Fast vogelartig. Wahrscheinlich von beträchtlichem Interesse für die vergleichende Anatomie. Ich habe mich nie damit beschäftigt! Wie war das mit diesem Schuß, Mr. Engel?“
Der Vikar war über den nüchternen Ton des Arztes erstaunt.
„Unser Freund“, sagte der Engel und wandte seinen Kopf dem Vikar zu.
„Unglückseligerweise ist es meine Schuld“, sagte der Vikar erläuternd und trat einen Schritt vor. „Ich verwechselte den Herrn – den Engel, hm – mit einem großen Vogel ...“
„Ihn mit einem großen Vogel verwechselt!
Was denn noch alles? Ihre Augen müßten einmal untersucht werden“, sagte Dr. Crump.
„Ich habe Ihnen das schon früher gesagt.“ Er machte mit dem leichten Abklopfen und Betasten weiter und stieß dabei eine Reihe von Grunzlauten und undeutliches Gemurmel aus ... „Aber dieser Verband ist für einen Amateur eine wirklich gute
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